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HBS Böckler Impuls

Gleichstellung: Ausbildungssystem schreibt alte Rollenbilder fort

Ausgabe 06/2011

Viele junge Männer entscheiden sich noch immer für traditionelle Männerberufe, die Frauen für Frauenberufe. Auch die Beratung der Arbeitsagenturen spielt dabei eine Rolle.

Bei der Berufswahl bleiben Mädchen und Jungen oft den althergebrachten Rollenbildern verhaftet, bestätigt eine Untersuchung der Sachverständigenkommission unter dem Vorsitz von Ute Klammer. Zusammen mit weiteren Fachleuten hat die Professorin der Universität Duisburg-Essen das Gutachten für den Ersten Gleichstellungsbericht der Bundesregierung verfasst. Ihr Ergebnis: Gerade die größtenteils historisch gewachsene Zweiteilung der Berufsausbildung in ein duales und ein vollzeitschulisches System schreibt die Geschlechterunterschiede weiter fort.

Das duale System der betrieblichen Ausbildung liegt in der traditionellen männlichen Facharbeiterausbildung begründet, so die Kommission. Diese bereitete junge Männer auf ihre Ernährerrolle vor. Die rein schulische Berufsausbildung dagegen war historisch auf die haushaltsnahen, pflegerischen und sozialen Berufe beschränkt. Sie sollte Frauen auf die Familienrolle vorbereiten und ihnen für die Phase bis zur Ehe ein Auskommen ermöglichen.

Wie die Sachverständigen feststellen, haben sich die Trennlinien nach dem Geschlecht heute teilweise aufgelöst. Das duale System bildet nicht mehr nur für gewerblich-technische Berufe in Industrie und Handwerk aus, sondern auch für kaufmännische Dienstleistungsberufe. Das vollzeitschulische Ausbildungssystem bietet ebenfalls kaufmännische Assistenzberufe an – und auch Wirtschaftsinformatik. Junge Männer sind im dualen System mit 58 Prozent nur noch knapp in der Überzahl. Junge Frauen bilden mit 72 Prozent im Schulberufssystem dagegen aber immer noch die Mehrheit – und dominieren weiterhin die pflegerischen und sozialen Berufe.

Typische Frauenberufe sind oft noch zu wenig professionalisiert
Entscheidender Unterschied zwischen den beiden Systemen: Die duale Ausbildung ist bundesweit verbindlich geregelt. Auszubildende sind in einen Betrieb eingebunden, ihre Lehrzeit wird vergütet und auch auf die Rente angerechnet. Innerhalb des dualen Bereichs sind die Vergütungen für männertypische Berufe häufig höher: So verdienen angehende Industriemechaniker im Westen während der Ausbildung durchschnittlich 841 Euro, Medizinische Fachangestellte – die ehemalige Arzthelferin – 573 Euro. Das Schulberufssystem ist hingegen bundesweit kaum standardisiert. Die Ausbildung muss selbst finanziert werden und ist oft nicht sozialversicherungspflichtig.

Die personenbezogenen Dienstleistungsberufe galten historisch als „Arbeit aus Liebe“, eine Professionalisierung wurde lange Zeit für unnötig gehalten. Fachleute sehen hier einen Nachholbedarf, der aufgrund der uneinheitlichen Ausbildungsstandards und Qualifikationsprofile allerdings schwierig ist. Die Sachverständigenkommission empfiehlt daher eine Dualisierung der vollzeitschulischen Ausbildung sowie die enge Verzahnung mit Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten. Eine solche Professionalisierung trage allgemein zur Aufwertung von so genannten Frauenberufen bei – angesichts des prognostizierten steigenden Fachkräftebedarfs im pflegerischen und sozialen Bereich sei dies ohnehin dringend erforderlich.
Auf institutioneller Ebene sehen Klammer und die anderen Kommissionsmitglieder die Berufs- und Ausbildungsberatung als Hort der „Herstellung von Geschlechterdifferenzen“. Im vergangenen Jahr wurde daher ein Gendertraining für die Beschäftigten der Arbeitsagenturen entwickelt, das diese für die geschlechtsspezifische Berufswahl sensibilisieren soll. „Die Maßnahme spricht dabei sowohl junge Frauen und Männer in ihrer Berufsentscheidung als auch Arbeitgeber an, die motiviert werden sollen, Auszubildende in geschlechtsuntypischen Bereichen einzustellen.“

  • Bei der Berufswahl bleiben Mädchen und Jungen oft den althergebrachten Rollenbildern verhaftet. Die Vergütungen für männertypische Berufe sind häufig höher: So verdienen angehende Industriemechaniker im Westen während der Ausbildung durchschnittlich 841 Euro, Medizinische Fachangestellte – die ehemalige Arzthelferin – 573 Euro. Zur Grafik
  • Am 25. April ist Girls' Day. Der Aktionstag soll Schülerinnen technische Berufe nahe bringen. Bislang entscheiden sie sich häufig für eine Ausbildung in einem schlechter bezahlten Frauenberuf. Zur Grafik

Ute Klammer u.a.: Neue Wege – gleiche Chancen, Gleichstellung von Frauen und Männern im Lebensverlauf (pdf), Gutachten der Sachverständigenkommission an das BMFSFJ für den Ersten Gleichstellungsbericht der Bundesregierung, Januar 2011

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