zurück
HBS Böckler Impuls

Unternehmenssteuern: EU: Steuerwettlauf selbst in der Krise

Ausgabe 19/2011

Die Wirtschaftskrise hat den EU-weiten Wettbewerb um die niedrigsten Unternehmenssteuern gebremst, aber nicht gestoppt. Vielfach sind Unternehmen kaum noch angemessen an der Finanzierung öffentlicher Güter und Dienstleistungen beteiligt.

Zwischen 2008 und 2011 ist der durchschnittliche nominelle Unternehmenssteuersatz in der EU-27 geringfügig zurückgegangen, zeigt eine Untersuchung von Margit Schratzenstaller. Die Absenkungen waren zwar deutlich geringer als in den Jahren zuvor. Doch zeitgleich gerieten die Haushalte vieler Staaten unter Druck, weil die teilweise sehr umfangreichen Bankenhilfs- und Konjunkturpakete finanziert sowie konjunkturbedingte Steuerausfälle und Mehrausgaben getragen werden mussten, erläutert die Steuerexpertin vom Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung (WIFO). Für Steuersenkungen sei da eigentlich kein Spielraum.

Dennoch senkten in den Jahren 2009 und 2010 immerhin mehrere alte und die Hälfte der neuen EU-Länder den Unternehmenssteuersatz, um dem Wirtschaftseinbruch gegenzusteuern, stellt die Wissenschaftlerin fest. Höhere Unternehmenssteuern zur Budgetkonsolidierung hingegen spielten bisher eine vernachlässigbare Rolle. Nicht einmal im Falle von Irland gelang es, als „Gegenleistung“ für die Unterstützung durch den Euro-Schutzschirm den äußerst niedrigen Körperschaftsteuersatz zu erhöhen. Dabei werde dieser von vielen EU-Staaten als Steuerdumping kritisiert.

Längerfristig weisen die nominalen Steuersätze einen klaren Abwärtstrend auf. Gleiches gilt für die effektiven Durchschnittssteuersätze und die effektiven Grenzsteuersätze, die insbesondere für Standortentscheidungen und Investitionen relevant sind. Nach Berechnungen des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung sind beide von 1998 bis 2008 in den alten und noch stärker in den neuen EU-Ländern gesunken.

„Insgesamt wird mittlerweile die Existenz eines Steuerwettbewerbs im Bereich der Unternehmensbesteuerung kaum mehr bestritten“, fasst WIFO-Forscherin Schratzenstaller zusammen. Ein zu intensiver Wettbewerb könne aber unerwünschte Effekte mit sich bringen, warnt die Wissenschaftlerin:

Niveaueffekt. Ein übermäßiger Steuerwettbewerb verkleinert das Einnahmenpotenzial des Staates. Dadurch würdedas Angebot an öffentlichen Gütern, die dem Allgemeinwohl dienen, „ineffizient gering“.

Struktureffekt. Ebenso ist es möglich, dass sich die Steuerlast von mobilen auf weniger mobile Faktoren verschiebt. Mehrere empirische Untersuchungen zeigten nach diesem Muster eine Verschiebung der Steuerlast von Kapital zu Arbeit, so Schratzenstaller. Dies bedeute einen Verstoß gegen das Äquivalenzprinzip: Es gelinge immer weniger, Unternehmen einen adäquaten Finanzierungsbeitrag zur Bereitstellung öffentlicher Güter und Dienstleistungen abzuverlangen, obwohl auch sie davon profitieren.

Fehlallokation von Kapital. Speziell bei der Unternehmensbesteuerung sieht die Wissenschaftlerin die Gefahr steuerlich verzerrter Investitionsentscheidungen. So könnten Unternehmen aus steuerlichen Gründen Produktionsstandorte wählen, die aus fertigungstechnischer Sicht eigentlich ungeeignet sind.

Diskriminierung binnenmarktorientierter Unternehmen. Multinational agierende Konzerne können ihre Gewinne in Niedrigsteuerländer verschieben, viele kleinere Unternehmen nicht. Trotz formaler steuerrechtlicher  Gleichbehandlung ergibt sich de facto eine Diskriminierung von Unternehmen ohne Niederlassungen im Ausland.

All diese Probleme „lassen eine gewisse Harmonisierung der Unternehmensbesteuerung in der EU angeraten erscheinen“, so die Steuerexpertin. Schratzenstaller schlägt vor, als ersten Eckpunkt die vielen verschiedenen Gewinnermittlungsvorschriften durch eine EU-einheitliche, verpflichtend einzuführende Bemessungsgrundlage zu ersetzen. „Damit wäre die Effektivsteuerbelastung transparent und der Steuersatz der einzig verbleibende Wettbewerbsparameter.“

Um zu vermeiden, dass sich dadurch der Druck auf die unterschiedlichen nationalen Steuersätze verschärft, rät die WIFO-Forscherin zu einem nach Wirtschaftskraft differenzierten Mindeststeuersatz – einem relativ hohen in den alten und einem relativ geringen in den neuen EU-Ländern. Denn insbesondere in den neuen Mitgliedstaaten fungiere der niedrige Unternehmenssteuersatz oft als Ausgleich für die ansonsten vielfach weniger günstigen Standortbedingungen.

  • Zwischen 2008 und 2011 ist der durchschnittliche nominelle Unternehmenssteuersatz in der EU-27 nur noch geringfügig zurückgegangen, deutlich weniger als in den Jahren zuvor. Zur Grafik

Margit Schratzenstaller: Vom Steuerwettbewerb zur Steuerkoordinierung in der EU?, in: WSI-Mitteilungen 6/2011

Impuls-Beitrag als PDF

Zugehörige Themen

Der Beitrag wurde zu Ihrerm Merkzettel hinzugefügt.

Merkzettel öffnen