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Johanna Wenckebach HANS 22-2022 Service aktuell

Digital-Gipfel der Bundesregierung: Algorithmen sollen Menschen dienen – nicht umgekehrt

Mitbestimmung und Beteiligung betroffener Beschäftigter seien ein Erfolgsfaktor für die Nutzung der Chancen technischen Fortschritts wie algorithmischen Managements, schreibt Johanna Wenckebach.

[14.11.2022]

Am 8. und 9. Dezember findet der Digital-Gipfel der Bundesregierung statt. Auch die Arbeitswelt hat dort eine Plattform, der Bundesarbeitsminister Hubertus Heil und der Erste Vorsitzende der IG Metall, Jörg Hofmann, vorsitzen. Ziel der Plattform ist es, Handlungsbedarfe und Optionen angesichts der digitalen Transformation zu analysieren. Technologischer Fortschritt soll auch sozialer Fortschritt sein.

Dieses Jahr nimmt die Plattform „algorithmisches Management“ in den Fokus. Und wenn Algorithmen arbeitende Menschen steuern, überwachen und mit Hilfe von Big Data auswerten, liegt es auf der Hand, dass eine Verbesserung von Arbeitsbedingungen kein Selbstläufer ist.

Ich darf derzeit der Arbeitsgruppe vorsitzen, die sich im Auftrag von Bundesarbeitsministerium und IG Metall damit befasst, welche Chancen algorithmisches Management bietet – etwa angesichts des Fachkräftemangels – und welche Risiken einer Regulierung bedürfen. In der Arbeitsgruppe sind Expertinnen und Experten unterschiedlicher Disziplinen aus Wissenschaft und Praxis zusammengekommen. Sie tauscht sich zu den großen Fragen nach Daten- und Gesundheitsschutz, Diskriminierung, Fachkräftesicherung und -gewinnung, guter Führung sowie Mitbestimmung aus. Betriebsräte von IBM, Telekom, Bahn, Siemens, Ford und Lieferando berichten von ihren Verhandlungen um Technik, die Arbeitsabläufe verbessert, transparent ist und Beschäftigte nicht überwacht.

Schon jetzt wird dabei deutlich: Mitbestimmung und Beteiligung betroffener Beschäftigter ist ein Erfolgsfaktor für die Nutzung der Chancen technischen Fortschritts. Ob mögliche Produktivitätssteigerungen zu Entlastung und besserer Entlohnung führen, bleibt eine Verteilungsfrage, die auch Tarifvertragsparteien fordert. Sowohl Praxis als auch Forschung zeigen jedoch: Es gibt auch Beispiele eines missbräuchlichen Einsatzes algorithmischen Managements, der Machtungleichgewichte in Beschäftigungsverhältnissen verschärft.

Nicht umsonst steht die Arbeitsgruppe deshalb im Kontext aktueller Gesetzgebungsvorhaben der EU: Dort wird sowohl eine erste „Verordnung für Künstliche Intelligenz“, als auch eine Richtlinie zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen auf Plattformen verhandelt. Beide müssen helfen, das Ziel zu verfolgen: Algorithmen sollen den arbeitenden Menschen dienen, nicht umgekehrt!

Der Digital-Gipfel wird die wissenschaftliche, gewerkschaftliche und rechtspolitische Arbeit zu dem Thema nicht beenden. Sie hat gerade erst begonnen.

Dr. Johanna Wenckebach ist die Wissenschaftliche Direktorin des Hugo Sinzheimer Instituts für Arbeits- und Sozialrecht der Hans-Böckler-Stiftung.

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