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Lutz Pscherer, Aufsichtsrat bei 50Hertz in Berlin Magazin Mitbestimmung

Kurzporträt: Wir bestimmen mit

Ausgabe 06/2021

Lutz Pscherer ist Aufsichtsrat bei 50Hertz in Berlin. Von Fabienne Melzer

Für Alibiveranstaltungen war Lutz Pscherer nie zu haben. „Ich habe immer gesagt: Wer mich in die Mitbestimmung holt, muss damit rechnen, dass ich auch mit­bestimmen will.“ Mitbestimmen, das tut der 66-Jährige inzwischen seit über 30 Jahren beim Energieversorger 50Hertz, dem Betreiber des Übertragungsnetzes in den neuen Bundesländern, Hamburg und Berlin. Ende der 1970er Jahre hatte er bei dem Vorgängerunternehmen Kombinat Verbundnetze Energie in Berlin angefangen. Nach dem Mauerfall Ende 1989 diskutierte er mit Kollegen, wie die Gewerkschaftsarbeit weitergehen soll. Er war im April 1990 Mitgründer der neuen Gewerkschaft IG BEW, die im September 1990 mit der IG BE der alten Bundesrepublik und 1997 mit der IG Chemie und der IG Leder zur heutigen IG BCE fusionierte.

Die Energiewirtschaft hat sich in dieser Zeit sehr verändert. „Früher waren die Vorhaben der Energieversorger quasi Gesetz“, sagt Pscherer. „Inzwischen müssen sie sich der öffentlichen Diskussion stellen, und das ist ihnen am Anfang schwergefallen.“ Doch nicht nur die Debatte über eine umweltfreundliche Energieversorgung hat sich gewandelt, auch die Unternehmen veränderten sich. Anfang der 1990er Jahre arbeiteten bei der damaligen VEAG rund 32 000 Menschen, 2002 waren es dann bei Vattenfall Europe noch 6000. Gleichzeitig konnten durch Neugründungen der VEAG 8000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Ohne die Mitbestimmung, ist sich Pscherer sicher, wäre das nicht möglich gewesen. „Ich war im Aufsichtsrat der VEAG mit für Neugründungen zuständig und habe das Thema immer wieder vorangetrieben.“

Überhaupt ist der Wandel das einzig Beständige, findet Pscherer, aber auch eine Chance für Gewerkschaften. „Was bieten sie, was Menschen anspricht?“, fragt er, und seine Antwort: „Wir können den Wandel der Arbeit gestalten.“ So legte der Betriebsrat von 50Hertz das Projekt „Moderne Arbeitswelt“ auf, mit dem das Unternehmen am Ideenpitch der diesjährigen Labora der Hans-Böckler-Stiftung teilnahm. In fast 100 Workshops wollten die Betriebsräte von den Beschäftigten wissen, wie sie arbeiten wollen und was sie für eine gesunde Arbeit brauchen. Inzwischen gibt es eine Projektgruppe „Moderne Arbeitswelten“, in der sich interessierte Beschäftigte und Betriebsräte um Themen wie moderne Arbeitszeitgestaltung kümmern. „Wir wollen die Menschen befähigen und ermuntern, die Organisation ihrer Arbeit und der Arbeitsbedingungen in Abstimmung mit den Unternehmen selbst in die Hand zu nehmen“, sagt Pscherer. Es ist dem Aufsichtsrat wichtig, dass die Menschen selbstbestimmt arbeiten können. Er selbst wuchs in der DDR auf. Nach dem Abitur studierte er Physik. 1975 sollte er Produktionserfahrungen sammeln und wurde Schaltwärter im Kraftwerk Espenhain. Anschließend studierte er Elektrotechnik und Energieversorgung in Zittau. Als Betriebsrat vermisste er die Technik. Ganz losgelassen hat er sie nicht. Er hält Vorlesungen an der Hochschule in Zittau und behält so den Anschluss an den technischen Fortschritt. Bereut hat er den Wechsel in die Mitbestimmung nie. „In meinem Beruf hätte ich niemals so viele interessante Menschen kennengelernt, und ich hätte auch nicht so viele Möglichkeiten gehabt, Dinge zu verändern und mitzugestalten.“

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