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Magazin Mitbestimmung

Interview: "Integration gestalten"

Ausgabe 01/2016

Die IG Metall stellt sich gegen Rassismus und nimmt gleichzeitig die Ängste ihrer Mitglieder ernst - etwa die vor Abwälzung der Kosten auf die Arbeitnehmer - sagt Tanja Smolenski.

Was sind für euch Kernpunkte einer solidarischen Flüchtlingspolitik?

Natürlich müssen Fluchtursachen politisch angegangen werden. Und wir schauen darauf, ob die Rechte der Flüchtlinge gewahrt werden, denn "Die Würde des Menschen ist unantastbar." "Solidarisch" heißt auch, dass in der EU die Flüchtlingspolitik abgestimmt werden muss. Leider passiert gerade das Gegenteil, der Ton wird rauer, die Mauern höher. Und darüber, wie Integration gelingen kann, wird kaum gesprochen.

Stimmen aus dem Arbeitgeberlager fordern eine Absenkung des Mindestlohns und anderer Standards.

Der Mindestlohn bleibt. Wir sind klar dagegen, ihn auszuhöhlen, wir sind gegen jedwede Absenkung der Standards bei den Arbeitsbedingungen. Integration in den Arbeitsmarkt kann aus unserer Sicht nicht heißen: Alle rein, und zwar möglichst billig! Integration heißt für uns vor allem Qualifikation, vom Spracherwerb bis zur beruflichen Bildung. Deshalb hat die IG Metall das Integrationsjahr vorgeschlagen, in dem Arbeit und Qualifizierung kombiniert werden – mit Tarif und Eingliederungszuschuss. Für anerkannte Flüchtlinge gilt dies genauso wie für Langszeitarbeitslose.

Die Arbeitgeber wollen auch eine völlige Öffnung der Leiharbeit für Flüchtlinge.

Leiharbeit ist nun gerade kein geeigneter Weg zur Integration in den Arbeitsmarkt, und das gilt nicht nur für Zuwanderer und Flüchtlinge. Alle Studien zeigen, dass der erhoffte Klebeeffekt, der Sprung in ein reguläres Arbeitsverhältnis, nur sehr selten ein tritt. Zur Integration gehört idealerweise ein halbwegs stabiler Kollegenkreis, ein stabiles Arbeitsumfeld – all das ist bei der Leiharbeit nicht gegeben.

Rechte Parteien und Bewegungen versuchen, aus der Verunsicherung über den Anstieg der Flüchtlingszahlen Kapital zu schlagen. Fremdenfeindliche Stimmungen nehmen zu. Wie geht ihr damit um?

Die Auseinandersetzung läuft natürlich auch in den Betrieben. Der Erste Vorsitzende der IG Metall, Jörg Hofmann, hat alle Mitglieder aufgefordert, hier deutlich Stellung zu beziehen und sich rassistischen Tendenzen entgegenzustellen. Die sind mit unseren Werten nicht vereinbar – zumal wir auch die größte Migrantenorganisation der Republik sind. Gleichzeitig nehmen wir Verunsicherung und Ängste sehr ernst, darüber diskutieren wir. Wollen wir eine gelingende Integration, und wie bekommen wir das hin? Unsere Faustregel ist: einerseits klare Kante zeigen gegen Rassismus, andererseits ein Bild zeichnen, wie Integration langfristig klappen kann.

Die Integration von einer Million Flüchtlingen ist eine gigantische Aufgabe. Brauchen wir eine Wende bei der Steuerpolitik und den Investitionen?

Eine solche Wende hin zu Investitionen brauchen wir ohnehin, auch unabhängig von der Flüchtlingssituation. Die Frage ist: Wie kommen wir dahin? Es geht natürlich nicht, dass die Kosten der Integration einseitig auf die Arbeitnehmer und die einkommensschwächere Hälfte der Bevölkerung abgewälzt werden. Diese Befürchtung besteht, und sie ist auch deshalb so groß, weil die Gesellschaft heute gespaltener ist als noch vor zehn oder 20 Jahren. Sicherlich müssen wir über eine gerechtere Steuerbelastung nachdenken. Wichtiger erscheint mir, dass die Kosten der Integration von heute Investitionen in die Zukunft sind, die sich für unsere Gesellschaft lohnen – und zwar in jeder Hinsicht! Dies zu verdeutlichen ist die große Herausforderung heute, auch für uns als IG Metall.

Zur Person

Tanja Smolenski, 42, leitet den Bereich Gesellschaftspolitik und Grundsatz beim IG-Metall-Vorstand in Frankfurt. Die Soziologin war zuvor zuständig für die Lobbyarbeit der IG Metall rund um die Themen Arbeit und Soziales.

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