Politik: „Es fehlen Spielräume für Investitionen“
Sebastian Dullien hilft mit, die Schuldenregel des Grundgesetzes zu modernisieren. Im Interview spricht der IMK-Direktor über die Ziele der neuen Kommission und über seine Berufung durch Finanzminister Lars Klingbeil. Das Gespräch führte Kay Meiners.
Wie wird man Mitglied einer Kommission, die Vorschläge dazu machen soll, wie sehr der Staat sich verschulden darf?
Ich habe einen Anruf aus dem Finanzministerium bekommen, ob ich bereit wäre, dort mitzuarbeiten. Ich habe mich sehr darüber gefreut und gesagt, dass ich das gerne machen würde. Später ist dann ein Ernennungsschreiben von Finanzminister Lars Klingbeil gekommen.
Dass es so eine Kommission geben soll, steht im Koalitionsvertrag. Haben Sie gehofft, berufen zu werden?
Unser Institut hat die Debatte um die Schuldenbremse sehr lange betrieben. Wir haben sehr viel Forschung dazu gemacht und sind sehr gut aufgestellt. Ich habe schon gehofft, dass das auch anerkannt wird. Aber man weiß nie vorher, was kommt.
Es heißt, die SPD habe auf eine solche Kommission gedrängt.
Ich war bei den Verhandlungen nicht dabei. Aber es ist ja kein Geheimnis, dass es in der SPD große Mehrheiten gibt, die Schuldenbremse zu reformieren und das in der Union nicht unbedingt das Hauptthema war.
Im März hat der Bundestag die Schuldenbremse gelockert. Warum reichen die Beschlüsse nicht aus?
Was wir jetzt haben, ist eine Frankenstein-Version der Schuldenbremse. Das bedeutet: Man kann so viele Kredite für Rüstung aufnehmen, dass die Schuldentragfähigkeit gefährdet wird. Aber gleichzeitig gibt es keine dauerhaften Spielräume für Investitionen.
Finanzminister Klingbeil hat erklärt, die Kommission solle den langen Streit um die Schuldenbremse beenden. Das klingt nach einem Kompromiss.
Ich hoffe auf einen guten Kompromiss, der ausreichend Spielräume schafft und zugleich Grenzen setzt. Alles andere wird zu nichts führen. Denn am Ende braucht man eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag und Bundesrat. Kein politisches Lager allein hat diese Mehrheiten.
Welche Position wird das IMK einbringen?
Wir argumentieren für eine goldene Regel, die Kredite für Investitionen erlaubt. Zum anderen sagen wir, dass man im Grundgesetz gar keine Regel braucht, wenn man vernünftige europäische Regeln hat, die auch durchgesetzt werden. Man braucht auch nicht zwei Gurte an einem Autositz.
In der 15 Köpfe starken Kommission gibt es sehr unterschiedliche wissenschaftliche Positionen. Könnte es sein, dass es am Ende ein Minderheitenvotum gibt?
Es wäre zu hoffen, dass wir eine Mehrheit für eine wachstumsfreundliche Lösung finden, die gleichzeitig die Schuldentragfähigkeit garantiert. Wenn die Kommission wirksam sein möchte, dann sollte sie sich auf eine gemeinsame Position einigen. Minderheitsvoten sind möglich, sollten aber nicht die Regel sein.
Es soll auch über den Stabilitäts- und Wachstumspakt (SWP) der EU gesprochen werden, der die Staatsschulden auf 60 Prozent des BIP begrenzt. Ist damit nicht eine Grenze gesetzt?
Der SWP gilt für Deutschland, egal was wir ins Grundgesetz schreiben. Das Problem ist nur, dass dessen Regeln und die Regeln im Grundgesetz inkompatibel sind. Es gibt Ausgaben, die sind nach dem einen Regelwerk erlaubt, nach dem anderen verboten. Eine der Vorgaben für die Arbeit der Kommission lautet, dass die Vorschläge transparent und einfach sein sollen. Die Kombination aus zwei Regelsystemen, die wir heute haben, ist eines nicht: transparent und einfach.
Wie könnte man das Problem lösen?
Man könnte mit den deutschen Regeln innerhalb des europäischen Rahmens bleiben. Oder aber man probiert, beide Regelwerke nach einem ähnlichen Prinzip zu gestalten. Das kann man entweder tun, indem man sich den europäischen Regeln annähert, oder indem man die europäischen Regeln noch einmal anpasst.
Wann wird es einen Endbericht geben?
Aktuell ist der Stand, dass im Januar 2026 ein Endbericht vorgelegt werden soll. Ich halte das für einen ambitionierten Zeitplan. Die Mitglieder der Kommission haben alle auch andere Verpflichtungen. Der zeitliche Rahmen ist extrem kurz, um ein so komplexes Thema mit so vielen Nuancen abschließend zu behandeln. Möglicherweise wird es also länger dauern.