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Porträt von Stephan Klenzmann, stellvertretender Betriebsratsvorsitzender bei SMS im Betriebsratsbüro Magazin Mitbestimmung

Betriebsrätepreis: Gelungener Umzug

Ausgabe 06/2025

Nach Fusionen und Umstrukturierungen sorgten unterschiedliche Eingruppierungen bei der SMS group für Unmut. Gemeinsam mit dem Arbeitgeber schaffte der Betriebsrat Transparenz und Fairness. Verlierer gab es beim Umzug in das neue Entgeltsystem nicht. Von Marius Ochs

Blickt Stephan Klenzmann auf sein wichtigstes Projekt zurück, spricht er von einem Umzug. Der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende am Standort Hilchenbach der SMS group und Mitglied im Gesamtbetriebsrat erinnert sich gut an die Metapher, die die Projektgruppe geprägt hat: „Wir ziehen vom alten ins neue Haus.“ Im alten Haus fanden sich Kolleginnen und Kollegen, die Seite an Seite arbeiteten, oft in verschiedenen Eingruppierungen wieder. Nach Fusionen und Umstrukturierungen hatten sich in den deutschen Standorten über Jahre zwei unterschiedliche Entgeltsysteme entwickelt – mit spürbaren Folgen: Unmut über Ungleichbehandlungen, Probleme bei Neueinstellungen und eine wachsende Unübersichtlichkeit. „Wir hatten rund 1200 Funktionsbeschreibungen, von denen viele veraltet waren. Das passte einfach nicht mehr zu den heutigen Arbeitsprozessen“, sagt Klenzmann.

Der Betriebsrat des Anlagenbauers drängte deshalb auf eine Reform, auf den Bau eines neuen Hauses mit fairen und transparenten Entgeltstrukturen. Auch die Arbeitgeberseite zog mit. Beide Seiten entschieden, partnerschaftlich zu arbeiten – wissenschaftlich begleitet vom Helix-Institut. Diese Form der Zusammenarbeit wurde bald als „Transformationspartnerschaft“ bezeichnet. „Wir hatten von Anfang an ein gemeinsames Ziel: Transparenz und Fairness schaffen, ohne dass jemand auch nur einen Cent verliert“, betont Klenzmann.

Über fünf Jahre, mit Unterbrechungen durch Corona, arbeitete die Projektgruppe an einem neuen, schlanken System. Es entstand das „SMS-Haus“: ein dreistöckiges Modell, das die beruflichen Funktionen der Belegschaft in Erdgeschoss, erste Etage und Dachgeschoss unterteilt. Von qualifizierten über spezialisierte Fachfunktionen bis hin zu außertariflichen Bereichen (AT) wurde alles neu strukturiert – am Ende mit nur noch etwa 380 klar beschriebenen Funktionen. Jeder sollte wissen, wo er „zuhause“ ist und wie sich das Gehalt zusammensetzt.

Bei dem Umzug sollte es keine Verlierer geben. Das war nicht immer einfach. Manche Mitarbeiter erhielten etwa noch vertragliche Zuschüsse für die Arbeit an Maschinen, die schon seit Jahren nicht mehr in den Fabriken standen. Diese individuellen Fälle regelten der Betriebsrat und der Arbeitgeber durch sogenannte „persönliche tarifdynamische Zulagen“.

Das neue System brachte eine Reihe Vorteile: eine bessere Vergleichbarkeit zwischen den Standorten, mehr Klarheit und weniger Aufwand, es zu pflegen. Beschäftigte, die zuvor außertarifliche Verträge hatten, konnten zurück in den Tarif wechseln. „Das war ein Riesengewinn“, sagt Klenzmann, „auch für die Mitbestimmung.“

Zwei Mitglieder des BR von SMS group in einer Gesprächskabine
Ein modernes Haus auf vielen Ebenen: Der Stellvertretende Betriebsratsvorsitzende Stephan Klenzmann (li.) mit Betriebsrätin Inga Sudau in einer Gesprächskabine.

Ein Meilenstein und Gewinn für die Mitbestimmung

Das neue System wurde zum Jahreswechsel 2024/25 eingeführt. Für die Information nahm sich Betriebsrat der Betriebsrat viel Zeit.  Er lud zu Betriebsversammlungen ein, beantwortete FAQs im Intranet, und bot individuelle Sprechstunden an. Rund 200 Gespräche führten Klenzmann und seine Kollegen aus dem Betriebsrat am Standort in Hilchenbach. Am Ende blieben nur eine Handvoll Einsprüche – weit weniger, als er erwartet hatte.

Besonders stolz ist der Betriebsrat auch auf eine Zusatzregelung für die Produktionsbeschäftigten: eine automatische Gehaltsentwicklung, ein Treuebonus von bis zu sechs Prozent sowie zusätzliche freie Tage nach 25 und 40 Jahren Betriebszugehörigkeit. „Das war uns wichtig, weil die Kolleginnen und Kollegen in der Produktion keine Möglichkeit für mobiles Arbeiten haben“, erklärt Klenzmann.

Für die SMS group ist das Projekt ein Meilenstein und für den Betriebsrat ein Beispiel, wie Mitbestimmung gelingen kann. Dafür wurde er im November mit der Auszeichnung in Silber des diesjährigen Betriebsrätepreises des Bund-Verlags geehrt. Die Transformationspartnerschaft sei das Gegenteil der „ritualisierten Konflikte“ zwischen Arbeitgebern und Betriebsräten. „Mit einer anderen Arbeitsweise wären wir nie an dieses Ziel gekommen“, sagt Klenzmann. Das neue Haus soll stabil genug sein, auch kommende Veränderungen auszuhalten.

Mehr zum Thema:

Der Deutsche Betriebsrätepreis ist eine Initiative der Fachzeitschrift „Arbeitsrecht im Betrieb“ des Bund-Verlags. Mit dem Preis werden seit 2009 alljährlich Praxisbeispiele vorbildlicher Betriebsratsarbeit ausgezeichnet. Von mehr als 60 Bewerbungen wurden 2025 zwölf Projekte nominiert, darunter auch das Projekt des Gesamtbetriebsrat des Maschinen- und Anlagenbauers SMS group GmbH, der dafür beim Betriebsrätetag am 6. November in Bonn die Auszeichnung in Silber erhielt.

Mehr über die nominierten Betriebsräte auf der Seite des I.M.U. zum Betriebsrätepreis 2025.

Das Institut für Mitbestimmung und Unternehmensführung der Hans-Böckler-Stiftung bietet ein Archiv mit zahlreichen Betriebsvereinbarungen.

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