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US-Ökonom Branko Milanović, Magazin Mitbestimmung

Wissenschaft: "Es gibt nicht den einen Kapitalismus"

Ausgabe 06/2020

US-Ökonom Branko Milanović, Teilnehmer am Forum for Macroeconomics and Macroeconomic Policies der Hans-Böckler-Stiftung, über den Einfluss der Politik auf die Wirtschaft und seine Idee eines "Volkskapitalismus".

In Ihrem neuen Buch „Kapitalismus global“ beschreiben Sie, wie sich zwei Arten des Kapitalismus gegenüberstehen – eine chinesische und eine angloamerikanische Variante. Einer Antwort, wer das Rennen macht, weichen Sie aber aus. 

Dieser Eindruck ist nicht falsch. beide Varianten haben bestimmte Vorteile. Wir sollten der in den 90er Jahren weit verbreiteten Versuchung widerstehen, zu glauben, dass weltweit die gleiche Art von Kapitalismus eingeführt wird. Es wird immer Unterschiede zwischen politischen Systemen geben, die sich auch auf die Wirtschaft auswirken. 

Sie fordern eine Art „Volkskapitalismus“, der Kapital, Vermögen und Einkommen gleichmäßiger verteilt. Wie nahe kommen Deutschland und Europa Ihrem Ideal?

Nicht sehr nah. Denn die Verteilung von Vermögen und Einkommen aus Vermögen in Deutschland und Kontinentaleuropa unterscheidet sich nicht deutlich von den USA. Sicher, die Sozialsysteme und die Umverteilung durch direkte Steuern sind stärker entwickelt. Aber was ich mir wünsche, ist eine Reduktion der Ungleichheit durch eine gleichmäßigere Ausstattung mit Kapital und menschlichen Fähigkeiten anstatt hauptsächlich durch eine Umverteilung der laufenden Einkommen.

Ihre These ist, dass der Kapitalismus so sehr in die Privatsphäre eindringt, dass sich die Menschen nicht mehr als Bürger engagieren. Wie beurteilen Sie die Mitbestimmung in Aufsichtsräten und Unternehmen?

Das ist ein wertvolles Modell. Ich bin jedoch entschiedener für die Selbstverwaltung, da dann das Verantwortungsbewusstsein für das Ergebnis und die Fähigkeit, über das genaue Gleichgewicht zwischen Risiko und Sicherheit zu entscheiden, dann größer sind. Mitbestimmung reicht dafür nicht aus.

Sie beschreiben die globalen Wertschöpfungsketten als die vielleicht bedeutendste Innovation der gegenwärtigen Globalisierung. Wird die Pandemie das ändern?

Nur minimal. Wenn man Wertschöpfungsketten zu sehr auf Effizienz trimmt, werden sie anfällig für Schocks. Man wird deswegen versuchen, diese Wertschöpfungsketten robuster zu machen, aber es gibt starke Anreize, sie nicht infrage zu stellen. Es ist doch eher bemerkenswert, wie gut sie trotz der Krise noch funktioniert haben. 

Wie wird sich die Krise auf die globale Verteilung des Wohlstands auswirken?

Das kann man schwer vorhersagen. Viele Menschen glauben, dass die Krise die globale Ungleichheit erhöhen wird, aber das muss nicht so kommen. China und ein Großteil Afrikas werden wahrscheinlich höhere Wachstumsraten erzielen als reiche Volkswirtschaften. Die Pandemie könnte aber die Ungleichheit innerhalb von Gesellschaften erhöhen. 

Ihr Kommentar zu den Präsidentschaftswahlen in den USA?

Es war sehr knapper Ausgang. Das Ergebnis zeigt, dass die Anziehungskraft von Trumps Pluto-Populismus kein Zufall ist. Eine Rückkehr zu der Politik, die Trump ins Amt gebracht hat, wäre eine zu schwache Reaktion. Es kommt jetzt darauf an, ob Joe Biden als neuer Präsident fähig ist, die Wirtschaft tiefgreifend zu verändern – und ob der Kongress ihm eine solche Politik erlaubt. 

Die Fragen stellten Kay Meiners und Ingo Zander.

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