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Interview PH HERO Böckler Impuls

Energiekosten: Gaspreisbremse richtig justieren

Ausgabe 18/2022

Die Möglichkeiten zum Handel mit subventioniertem Gas sollten für Unternehmen begrenzt werden.

Die Gaspreiskommission hat sehr gute Vorschläge gemacht, um die Konjunktur in Deutschland zu stützen, die Inflation zu dämpfen und Anreize zum Energiesparen zu setzen. Das sagen Sebastian Dullien und Jan-Erik Thie vom IMK in einer Kurzstudie, die sie gemeinsam mit der Ökonomin Isabella Weber, Mitglied der Kommission, verfasst haben. Ein Detail der vorgeschlagenen Gaspreisbremse ist aus Sicht der Forschenden allerdings problematisch, nämlich die Regelung, dass Unternehmen ihr gesamtes subventioniertes Gaskontingent „am Markt verwerten“ dürfen. Einige von ihnen könnten auf die Idee kommen, ihre Produktion herunterzufahren, weil sie mit dem Weiterverkauf des subventio­nierten Gases kurzfristig höhere Gewinne erzielen als mit ihrem üblichen Geschäft. 

Vor allem im energieintensiven Bereich am Anfang der Wertschöpfungskette sei solch ein Szenario denkbar, „da hier ein Verkauf des subventionierten Gases zu derzeit hohen Marktpreisen schnell profitabler sein kann, als das Gas in der eigenen Produktion einzusetzen“. Die Subvention könnte so zu einer „Winterschlafprämie“ werden, die Produktionsstilllegungen fördert. Es drohten nicht nur starke Produktionsrückgänge in den energieintensiven Branchen, sondern auch weitreichende Kaskadeneffekte. Wie schon in der Coronakrise, als das Fehlen einzelner Autoteile zum Stillstand ganzer Produktionslinien führte, kann ein Ausfall von Vorprodukten Auswirkungen entlang der Lieferketten haben, so Dullien, Thie und Weber. Die könnten insbesondere bei massiven Produktionseinschränkungen in der chemischen Industrie gravierend sein, befürchten die Forschenden. Denn chemische Produkte sind oft sogenannte Kuppelprodukte: Wenn eine Produktionsanlage stillgelegt wird, fehlen in anderen Betrieben notwendige Chemikalien, die in den Ursprungsprozessen häufig nur als Neben- oder gar Abfallprodukte anfallen und denen die Hersteller nicht viel Beachtung schenken.

Um solche Probleme zu vermeiden, schlagen Dullien, Thie und Weber eine Korrektur vor: Grundsätzlich sollten Unternehmen nur Gas subventioniert bekommen, das sie auch wirklich in der Produktion einsetzen. Falls aber eine – aktuell eher unwahrscheinliche – Extremsituation eintritt, in der das Gas in Deutschland wirklich nicht mehr für alle Betriebe und Haushalte reichen würde, könnte beispielsweise die Bundesnetzagentur Unternehmen gezielt Gas zu einem höheren Preis abkaufen, wenn diese zeitweilig ihre Produktion drosseln, ohne dabei elementare Lieferketten zu gefährden.

Sebastian Dullien, Jan-Erik Thie, Isabella Weber: Gaspreisbremse für Industrie: Gezieltes Sparen besser als „Winterschlafprämie“, IMK-Kommentar Nr. 9, November 2022

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