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Magazin Mitbestimmung

: Editorial

Ausgabe 07/2006

Zwei Versuchungen


Liebe Leserinnen, liebe Leser,

Energie und Rohstoffe sind die Lebenselixiere unserer Wirtschaft - und wir verbrauchen jeden Tag viel zu viel davon. Mit jedem Plastikbecher, den wir wegwerfen, mit jedem Kilometer, den wir im Auto oder im Flugzeug zurücklegen, gehen die globalen Vorräte zur Neige - und eine weltweite Versorgung ohne fossile Energieträger und ohne das Uran ist heute noch kein realistisches Szenario - nur ein Zukunftsziel.

Hektisch versuchen die Regierungen, sich Zugang zu den großen Lagerstätten zu sichern. Wer hier mitreden kann, der sitzt an einer wichtigen Schlüsselposition ein. Die Gewerkschaften sind in der Branche gut vertreten, nicht zuletzt durch ihre Mandate in den Aufsichtsräten. Allerdings sind auch sie mindestens zwei Versuchungen ausgesetzt.

Die erste Versuchung auf dem Energiesektor ist der unvollkommene Markt. Dass der Markt anderen Organisationsformen überlegen ist, hat sich auch bei den Gewerkschaften herumgesprochen.

Aber zugleich wissen sie auch, dass marktbeherrschende Positionen eine sehr bequeme Angelegenheit sind. Gibt es nicht dort, wo üppige Oligopolrenten erwirtschaftet werden, auch mehr an die eigene Klientel zu verteilen? Und sind nicht dort, wo es an Wettbewerb mangelt, die eigenen Arbeitsplätze - wenigstens für eine Weile - am sichersten?

Die zweite Versuchung ist die Nähe der Branche zur Politik, die den Gewerkschaften - ebenso wie die großbetrieblichen Strukturen - bei der Interessenvertretung entgegenkommt. Wenigstens diese zweite Versuchung ist aber zugleich auch eine Chance. Denn die Gewerkschaften können Einfluss auf ordnungspolitische Entscheidungen nehmen und damit auf Marktstruktur sowie auf den Energiemix der Zukunft legen.

Die Öffentlichkeit wird verstärkt darauf achten, in welchem Maße die Interessen der einzelnen Interessengruppen sich mit dem Gemeinwohl decken - das gilt nicht nur für die Konzerne.


Kay Meiners
kay-meiners@boeckler.de

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