zurück
Magazin Mitbestimmung

: Editorial

Ausgabe 09/2006

Offensivstrategie


Liebe Leserinnen, liebe Leser,
unser Titelgestalter hat die Öffnung der Tarifverträge wörtlich genommen. Wir reißen das Tor zum Betrieb auf, und was sehen wir? Belegschaften, die zusammenlaufen, mit Betriebsräten diskutieren, die gewerkschaftliche Unterstützung suchen, weil sie "täglich erleben, dass sie als Einzelne dem Druck auf ihre Arbeitsbedingungen nicht standhalten können". Das sagt IG Metall-Vize Berthold Huber in unserem Interview.

Metaller wie Huber und Detlef Wetzel aus NRW haben aus dem gefürchteten Trend zur Verbetrieblichung eine Offensivstrategie gemacht. Bis dahin, dass die Mitglieder jener Tarifgemeinschaft, die man Gewerkschaft nennt, im Betrieb abstimmen - sei es über einen Krisen- oder einen Zukunftssicherungstarifvertrag. Das bringt neue Mitglieder, das schafft Verhandlungsmasse für unternehmerische Gegenleistungen. Die IG Metall aktiviert, was zum Kern von Gewerkschaft gehört. Und der Arbeitgeberverband Gesamtmetall sieht es mit gemischten Gefühlen, wie Jonas Viering berichtet.

 Sowohl von der Philosophie her wie auch in der Praxis unterscheidet sich die tarifliche Öffnungspolitik der Gewerkschaften. Bei der IG BCE ist das Teil ihrer ganz regulären Tarifpolitik. Wie es der Chemiegewerkschaft gelingt, zwischen Flächentarif und zeitlich begrenzter Abweichung hin und her zu manövrieren, das wollen wir von Werner Bischoff wissen. Zumal in Zeiten, in denen Unternehmen auf den Dreh kommen, sich durch Arbeitnehmerverzichte ihre neueste Preisdumping-Kampagne oder die Sonderausschüttung finanzieren zu lassen.

Die Arbeitgeberverbände haben die Unternehmen dazu animiert, die Tarifverträge betrieblich zu unterlaufen, die Politik hat dazu eingeladen. Nicht folgenlos bleibt der Versuch von CDU und FDP, durch gesetzliche Öffnungsklauseln den Flächentarif mit der Brechstange auszuhebeln, analysiert Max-Planck-Wissenschaftlerin Britta Rehder. Und so erleben wir eine Phase intensiver betrieblicher Konflikte, langer und zugespitzter Streikauseinandersetzung. Es zeigt sich: Man wird nicht die Vorteile unseres Tarifsystems genießen können, wenn man es gleichzeitig systematisch lädiert.


Somit ist der Flächentarif eine bedrohte Spezies. Er braucht mehr aktive Unterstützer. Alleine schaffen das die Gewerkschaften nicht. Auch wenn sie schon erfolgreich in die Offensive gegangen sind.

Aufschlussreiche Lektüre wünscht Euch und Ihnen
Cornelia Girndt
cornelia-girndt@boeckler.de

Zugehörige Themen

Der Beitrag wurde zu Ihrerm Merkzettel hinzugefügt.

Merkzettel öffnen