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Magazin Mitbestimmung

: Dividenden auf Pump

Ausgabe 06/2006

Der Finanzinvestor Texas Pacific Group ist bekannt für rüde Methoden in "seinen" Unternehmen. Bei Grohe wurden Arbeitsplätze ruiniert, bei Gate Gourmet gab es einen monatelangen Streik. Mobilcom könnte der nächste Fall sein, fürchtet die IG Metall.



Von Helene Conrady
Die Autorin arbeitet im Journalistenbüro Words Unlimited in Düsseldorf.

 

David Bonderman liebt das pralle Leben. Zu seinem 60. Geburtstag lud der Milliardär vor drei Jahren hunderte von Gästen nach Las Vegas, wo sie von Robbie Williams und den Rolling Stones live unterhalten wurden. Wenn's aber ums Geschäft geht, dann agiert der ehemalige Anwalt lieber unauffällig.

Das ist Prinzip, denn Bonderman ist Gründer und Chef eines Private-Equity-Unternehmens, der Texas Pacific Group (TPG), und diese Kapitalbeteiligungsgesellschaften arbeiten lieber im Stillen. Dadurch wurden sie zu den "Königen des Kapitalismus", wie der amerikanische Journalist Nicholas Varchaver in einem Porträt über Bonderman schreibt.

Die TPG - gegründet 1993 und benannt nach einer Eisenbahnlinie - hat nach eigenen Angaben 20 Milliarden Dollar investiert. Insgesamt, so rechnet Varchaver vor, kontrolliert sie Unternehmen, die zusammen jährlich 35 Milliarden US-Dollar an Erlösen erwirtschaften. Wäre sie eine Aktiengesellschaft, rangierte sie im Fortune-500-Ranking der größten Unternehmen weltweit auf Platz 51.

Die Strategie der TPG: Sie kauft sich in bekannte, meist kriselnde oder schlecht finanzierte Markenunternehmen ein und strukturiert sie um. Dies dient dazu, den Wert des Unternehmens kurzfristig zu erhöhen, langfristige Perspektiven werden dabei oft außer Acht gelassen. Im ungünstigsten Fall wird dem Unternehmen Kapital entzogen, das es für Investitionen brauchen würde. Oft geht auch Know-how verloren, weil vielfach erfahrene Leute entlassen werden. Im günstigen Fall macht diese Strategie ein verpenntes Management wieder fit für die Zukunft - sagen die Befürworter.

Pensionsfonds treiben die Renditespirale

Es gehört auch zum Vorgehen der TPG, die Unternehmen nach wenigen Jahren wieder zu verkaufen - mit bisweilen gigantischem Gewinn. Ein Superdeal in den 90er Jahren - es handelt sich um Continental Airlines - soll eine Rendite von 950 Prozent eingebracht haben! Das für die Firmenkäufe notwendige Kapital erhält die Gesellschaft in der Regel von Investoren - darunter auch Pensionsfonds, wie zum Beispiel von General Motors. Von den außergewöhnlich guten Renditen profitieren also nicht zuletzt amerikanische Rentner.

In den USA hat sich die TPG an Unternehmen wie Del Monte Foods (Dosengemüse), Burger King, Oxford Health und einer ehemaligen EON-Tochter beteiligt. Die EON-Tochter wird heute auf eine Milliarde Dollar geschätzt, das Gebot von TPG-Chef Bonderman belief sich dem Vernehmen nach einst auf sechs Dollar, die er in einem Briefumschlag verschickte.

In Europa hält die TPG unter anderem Anteile am Motorradhersteller Ducati, am Schuhfabrikanten Bally und dem Chipkartenproduzenten Gemplus. Bei Gemplus tauschte der Finanzinvestor TPG das Management aus, was die französische Öffentlichkeit und Politik alarmierte; inzwischen hat das börsennotierte Unternehmen wegen sinkender Aktien eine Menge Geld verloren, wie die Sonntags-FAZ berichtet.

"Wir unterstützen Unternehmen und Manager, aber wir wollen keine Schlagzeilen machen", hatte im November 2005 Bondermans europäischer Partner und Statthalter Andrew Dechet der Financial Times Deutschland gesagt. Da war der Investor längst auch in Deutschland in den Schlagzeilen, denn Franz Müntefering hatte Kapitalinvestoren mit Heuschrecken verglichen.

Als er dies sagte, dürfte er an die TPG gedacht haben, die - gemeinsam mit der Investmentbank Credit Suisse First Boston - die Grohe Water Technology übernommen hatte. Deren Stammsitz liegt im sauerländischen Hemer, das zum Wahlkreis von Müntefering gehört. Und der Fall Grohe gilt in Deutschland mittlerweile als Paradebeispiel dafür, wie Investoren Unternehmen kaputt machen können.

Der Grund: Die TPG hatte den Kauf der Grohe-Anteile mit Krediten finanziert und die sich daraus ergebende Zinslast in Höhe von mehr als 70 Millionen Euro dem Unternehmen aufgebürdet. Um diese zu erwirtschaften, mussten an anderer Stelle im Unternehmen 150 Millionen Euro eingespart werden, so zumindest wollte es Vorstand David Haines.

Die Folgen: Produktionsverlagerung ins Ausland. Ergebnis: In Deutschland werden bis 2008 drei Standorte geschlossen, nur die Fabrik in Hemer wird weiter bestehen. 1300 Arbeitsplätze bleiben auf der Strecke. "Ich fürchte, wenn das Beispiel Grohe Schule macht, kann man die Deutschland AG irgendwann beerdigen", so das bittere Fazit von Peter Schulze, Betriebsrat im Grohe-Werk Herzberg, das als Erstes Ende 2005 geschlossen wurde.

Nicht nur der Fall Grohe wirft ein schlechtes Licht auf die TPG. In zwei weiteren Übernahme-Fällen zeigte der Investor Verhaltensweisen, die ihn als rücksichtslos und unsozial erscheinen lassen.

Gate Gourmet: Streiks und eine Investitionswarnung

Nach der Pleite der Swiss Air 2002 übernahm die TPG den Flugzeug-Caterer Gate Gourmet, eine ehemalige Tochter der British Airways, die heute in 29 Ländern produziert. Unter anderem in Düsseldorf, wo das Unternehmen mit seinen knapp 100 Beschäftigten den Ferienflieger LTU versorgt. Dort hatte sich die TPG bereits vor drei Jahren mit der Gewerkschaft NGG auf den Manteltarifvertrag geeinigt, der jedoch von der Arbeitgeberseite nie unterschrieben wurde. Nachvollziehbare Gründe dafür habe es nicht gegeben, berichtet Dieter Schormann, Verhandlungsführer und Geschäftsführer der NGG Düsseldorf. Deshalb kündigte die Gewerkschaft 2005 den Entgelttarifvertrag und stellte Lohnforderungen auf: 4,5 Prozent mehr.

Das Management der Gate Gourmet hingegen wollte, um die Personalkosten insgesamt um zehn Prozent zu reduzieren, die 40-Stunden-Woche einführen. Weiter sollten Zulagen sowie fünf Urlaubstage gestrichen werden. "Nicht mit uns", sagten die Mitarbeiter und legten Anfang Oktober 2005 die Arbeit nieder. Der Streik brachte öffentliche Aufmerksamkeit, beeinträchtigte aber die Produktion des Unternehmens nur wenig, da das Management Streikbrecher von Leiharbeitsfirmen und aus anderen Niederlassungen rekrutierte.

Weitaus wichtiger dürfte ein Report gewesen sein, den die US-amerikanische Dienstleistungs-Gewerkschaft "UNITE here" im Februar in New York veröffentlichte. Dort wird dem staunenden US-Publikum vor Augen geführt, wie rüde die Texas Pacific Group mit einigen europäischen Unternehmen und Arbeitnehmern umgesprungen ist.

Unter dem Titel "The new Barbarians at the Gate", ("Die neuen Barbaren vor den Toren") berichtet die Gewerkschaft "UNITE here" von gezielten Provokationen des TPG-Managements bei Gate Gourmet in London, die in wilden Streiks gipfelten und dabei den Flughafen Heathrow für einen Tag lahm legten. Außerdem stellt sie die Konflikte bei Grohe und Gate Gourmet in Düsseldorf detailliert dar und sagt, TPG habe der Investorenbranche insgesamt geschadet. Nicht zuletzt wirft sie der Beteiligungsgesellschaft Texas Pacific Group unfaires Verhalten gegenüber den Beschäftigten in Europa vor.

Mit Blick auf die amerikanischen Pensionsfonds und Gewerkschaften wird im "UNITE here"-Report klar gesagt, die Vermögensverwalter sollten sich die Risiken einer Investition bei TPG sehr gut überlegen; ob zum Beispiel eine Investition in den neuesten - stark auf Europa ausgerichteten - TPG-Fonds die beste Wahl sei oder ob man nicht andere Optionen vorziehen solle. Das kommt einer Investitionswarnung gleich.

 "Der Bericht war sehr wichtig für uns", betont Schormann. Denn er zeigte auch dem Düsseldorfer Gate-Gourmet-Management, dass der Streik weit über die Stadtgrenzen hinaus wahrgenommen wurde. Anfang April schließlich einigten sich die Tarifpartner auf einen neuen Abschluss. Letztlich waren es "Ausdauer und Beharrlichkeit der Streikenden", die das Unternehmen zum Einlenken bewog, glaubt Schormann.

Der neue Abschluss sieht eine Entgelterhöhung von einem Prozent vor sowie einmalige Sonderzahlungen von jeweils 156 Euro in den Jahren 2006 und 2007. Betriebsbedingte Kündigungen sind bis 2009 ausgeschlossen, außerdem wird der Manteltarifvertrag - endlich - unterzeichnet. "Ein Sieg ist das nicht", räumt Schormann ein. "Wir haben manche Kröte schlucken müssen." Ein Erfolg für die Arbeitnehmer bleibe er aber dennoch, weil Gate Gourmet deutlich von seinen Forderungen abrücken musste.

Stille Reserven heben: Texas Pacific bei Mobilcom

Die Texas Pacific Group kaufte eine Woche nach der Hauptversammlung im April 2005 das Aktienpaket der France Telecom - sie hielt knapp 30 Prozent - und übernahm drei Sitze im Aufsichtsrat des Büdelsdorfer Mobilfunk-Dienstleisters Mobilcom; unter Führung von TPG-Chef David Bonderman gingen die drei Aufsichtsräte - laut einem "Spiegel"-Bericht vom 11. Juli 2005 - so vor: Sie forderten, die - bereits geplante - Fusion mit der Mobilfunk-Tochter Freenet zur Telunico Holding solle beschleunigt und mit einer Bilanzumstellung verbunden werden.

Dadurch werde es möglich, die stillen Reserven der Mobilcom auszuweisen und sie mit Hilfe von Krediten an die Aktionäre auszuzahlen. Dieses Geld - die Rede ist von einer Summe zwischen 800 Millionen und einer Milliarde Euro - könnte dann als Sonderdividende an die Aktionäre ausgeschüttet werden. Eine Dividende auf Pump also - rund 20 Prozent davon gingen an die TPG.

Vorstandsvorsitzender Thorsten Grenz, grundsätzlich ein Befürworter der Fusion, wollte offenbar dieses Spiel nicht mitspielen. Eine Verschuldung komme für ihn nicht Frage, wenn sie dazu diene, das Geld als Dividende auszuschütten, erklärte er laut "Spiegel". Deswegen musste er gehen. Seit Sommer 2005 hat Eckhard Spoerr, er ist außerdem Vorstand der Freenet AG, den Posten inne. Er zeigte sich "offenbar geschmeidiger in Sachen Kapitalausschüttung", behauptet das Hamburger Magazin.

Dennoch: Die Fusion liegt derzeit auf Eis - trotz Zustimmung beider Aktionärsversammlungen. Ursache ist auch der Widerstand der Gewerkschaften. "Grundsätzlich halten wir die Fusion für strategisch und technologisch richtig. Aber unter diesen Umständen befürchten wir, dass sie tausende von Arbeitsplätzen gefährdet", erklärt Kai Petersen, Mobilcom-Aufsichtsrat und Geschäftsführer der IG Metall Rendsburg. Denn mit der "Dividende auf Pump" würde sich das Unternehmen Zinslasten aufhalsen, deren Tilgung Kapital entziehe, das dann für künftige Investitionen nicht mehr zur Verfügung steht.

Berthold Huber, Vize-Chef der IG Metall, sieht es ähnlich: "Wir werden es nicht zulassen, dass auf Druck einer Kapitalgesellschaft die industrielle Substanz des Unternehmens zerstört wird", erklärte er im vergangenen August gegenüber der Nachrichtenagentur dpa. "Ausschüttungen aus der Substanz sind extreme Auswüchse des Shareholder-Kapitalismus, die es zu verhindern gilt."

Die IG Metall unterstützt die Belegschaft bei ihrem Widerstand gegen die Verschmelzung. Um überhaupt klagen zu können, hatte eine Gruppe von über 400 Mitarbeitern eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) namens "Aktien für alle" gegründet. Als der neue Vorstand Spoerr jedoch seine Auftritte auf Belegschaftsversammlungen dazu nutzte, um diesen Mitarbeitern zu drohen, traten viele von der GbR zurück. Rund 300 blieben übrig.

Inzwischen haben die Gerichte das Sagen. Der Mannheimer Anwalt Christof Hettich, der die Mitarbeiter-Initiative auf der außerordentlichen Hauptversammlung zur Verschmelzung vertrat, hat eine Anfechtungsklage gegen die Fusion eingereicht. Begründung: Das Management soll seine Pläne über mögliche Kreditaufnahmen offen legen. So will Hettich herausfinden, ob mit diesen Krediten die Leistungs- und damit die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens geschmälert wird. Wann die Richter in Kiel ihre Entscheidung fällen werden, ist ungewiss. Parallel müssen sie außerdem über einen Eilantrag der Mobilcom entscheiden, mit der der Eintrag ins Handelsregister beschleunigt werden soll.

Manche Fachleute zweifeln unterdessen am Sinn der Fusion. Wegen des enormen Preisdrucks auf dem Mobilfunkmarkt sehen sie im Zusammengehen der drei Großen der Branche - Mobilcom, Debitel und Talkline - einen geeigneten Ausweg, um ein Überleben zu sichern. Schon wurde darüber spekuliert, dass die TPG und die Investment-Gesellschaft Permira, die Anteile an der Talkline hält, über einen Zusammenschluss ihrer Beteiligungen verhandeln. Oder es wäre denkbar, dass Mobilcom die Mehrheitsbeteiligung an Freenet verkauft, statt zu fusionieren. Das könnte ebenfalls einen dreistelligen Millionenbetrag in die Kassen von TPG spülen.

Mobilcom-Vorstand Eckard Spoerr hüllt sich derweil in der Öffentlichkeit in Schweigen. David Bonderman auch. Aber das kennt man ja vom "König des Kapitalismus".

 

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