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Magazin Mitbestimmung

: Deutliche Engpässe

Ausgabe 01+02/2012

FACHKRÄFTEMANGEL Personaler in großen Unternehmen haben schon heute Schwierigkeiten bei der Rekrutierung von qualifiziertem Personal. Dort, wo sie gegensteuern, beziehen sie die Betriebsräte in der Regel ein. Das ergab eine Umfrage der Hans-Böckler-Stiftung. Von Winfried Heidemann

Winfried Heidemann ist Referatsleiter Qualifikation in der Hans-Böckler-Stiftung

Mitarbeiter gehören zum Firmenkapital. Wenn diese Ressource knapp wird, ist es überfällig, zu handeln. In einer kleinen, nicht repräsentativen Umfrage der Hans-Böckler-Stiftung unter Personalverantwortlichen in mitbestimmten Unternehmen antworten 28 von 48, also mehr als die Hälfte, dass sie bereits heute einen Mangel an Fachkräften spüren. In den kommenden fünf Jahren und längerfristig, das heißt in zehn Jahren, erwarten ihn fast alle. Und unter den 20 Unternehmen, die aktuell noch keinen Fachkräftemangel sehen, rechnen vier mittelfristig und 13 längerfristig damit. Deutliche Engpässe werden schon jetzt bei Fachkräften mit Hochschulabschluss und in geringerem Maße bei Meistern und Technikern gesehen. So sind etwa die Vakanzen zwischen dem Freiwerden und dem Wiederbesetzen von Stellen länger geworden. Vonseiten der befragten Personaler wird auch eine zunehmende Diskrepanz zwischen den Qualifikationen der Stellenbewerber und den Anforderungen der angebotenen Stellen beklagt.

REGIONALE ENGPÄSSE_ Der Bedarf der Wirtschaft an Hochschulabsolventen wird zunehmen oder zumindest gleich bleiben. Auf der mittleren Qualifikationsebene wird er im Wesentlichen gleich bleiben, bei un- oder angelernten Kräften tendenziell eher abnehmen. Angesichts dieser Situation ergreifen die Betriebe bereits heute eine ganze Reihe von Maßnahmen, um erfolgreich Personal zu rekrutieren. In der Reihenfolge der Nennungen sind dies: die Verstärkung innerbetrieblicher Weiterbildung und Personalentwicklung; eine Kooperation mit Schulen und Hochschulen, um adäquate Bewerber zu erhalten; eine Verbesserung des betrieblichen Gesundheitsmanagements, um Fachkräfte länger im Betrieb zu halten; Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie die Einstellung und anschließende betriebliche Qualifizierung nicht passgenauer Bewerber.

Beim Planen für die Zukunft stehen Überlegungen zur Weiterbildung und Personalentwicklung der im Unternehmen vorhandenen Kräfte im Vordergrund; es folgen Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf; der Aufbau von Ausbildung auf Hochschulniveau durch duale Studiengänge; die Verstärkung der Ausbildung in Berufen des Dualen Systems und schließlich die verstärkte Anwerbung qualifizierter Frauen.

In die Vorbereitungen sind meist auch die Betriebsräte einbezogen. Aus ihrer Verantwortung heraus können sie sich auf verschiedenen Handlungsfeldern engagieren: Der zukünftige betriebliche Qualifikationsbedarf ist vor dem Hintergrund der Branchenentwicklung zu ermitteln. Vorhandene Fachkräfte müssen auf erwartbare neue Kompetenzen vorbereitet werden. Bei der Rekrutierung von Personal vom Arbeitsmarkt können Bewerber, die nicht hundertprozentig auf eine Stelle passen, betrieblich weiterqualifiziert werden statt ständig nur nach passgenauen Bewerbern Ausschau zu halten. In der betrieblichen Ausbildung müssen die teilweise sehr hohen Ausbildungsabbrüche verringert werden. Schließlich kann die Attraktivität der Unternehmen als Arbeitgeber für die eigene Belegschaft wie auch für externe Bewerber gestärkt werden, indem Arbeitsbedingungen und Arbeitszeiten an die Wünsche von Beschäftigten angepasst werden.

BLICK IN DIE ZUKUNFT_ Einen generellen und flächendeckenden Fachkräftemangel gibt es in Deutschland noch nicht, sehr wohl aber regionale Engpässe. Das betrifft nicht nur die sogenannten MINT-Berufe – gemeint sind mathematische, ingenieurwissenschaftliche, naturwissenschaftliche und Technikberufe –, sondern auch Ärzte, Berufe in Erziehung und Pflege sowie einige Berufe für einfache Dienstleistungstätigkeiten.

Schwieriger ist der Blick in die Zukunft. Größere Untersuchungen kommen je nach Ausgangs- und Zieljahr, nach der Abgrenzung unterschiedlicher Personen- und Qualifikationsgruppen auf dem Arbeitsmarkt und den gewählten Untersuchungsmethoden zu nur schwer vergleichbaren Ergebnissen. Studien, die mit einer fortschreitenden Arbeitsteilung der Weltwirtschaft und damit einhergehender technologischer Hochentwicklung der exportorientierten deutschen Wirtschaft rechnen, sehen Probleme in diesen Berufsbereichen sehr viel stärker als Studien, die von einer Entwicklung von Qualifikation und Arbeitsmarkt in den „ruhigen Bahnen“ unseres traditionellen Berufssystems ausgehen. Die Arbeiten zeigen aber eine Reihe von übereinstimmenden Trends auf: Aus demografischen Gründen wird das Angebot an Arbeitskräften ab der zweiten Hälfte der 2010er Jahre allmählich, ab 2020 deutlich abnehmen. Schon deshalb wird es Mängellagen geben. Alle Untersuchungen rechnen damit, dass die wirtschaftliche Entwicklung durch eine weitere Tertiarisierung von Wirtschaft und Tätigkeiten gekennzeichnet sein wird. Tätigkeiten produktionsnaher Art und im Bereich primärer Dienstleistungen wie klassischen Büroberufen werden relativ abnehmen, während sekundäre Dienstleistungstätigkeiten – dazu gehören unternehmens- und personenbezogene Dienstleistungen – zunehmen. Qualifikationen auf mittlerer Ebene, also mit der in Deutschland vorherrschenden Ausbildung im Dualen System, werden auch in Zukunft den größten Anteil an Tätigkeiten ausmachen, jedoch im Vergleich zu höheren Qualifikationen abnehmen; für Tätigkeiten mit geringem Qualifikationsanspruch gibt es einen geringeren Bedarf mit der Folge abnehmender Beschäftigungschancen für Personen ohne beruflichen Abschluss.

DIE BEFRAGUNG

2011 hat die Mitbestimmungsförderung der Hans-Böckler-Stiftung Personalverantwortliche befragt, die in Arbeitskreisen der Stiftung mitarbeiten. Von den angeschriebenen 98 Personalern haben 48 geantwortet. Die meisten Unternehmen stammen aus den Branchen Stahl, Chemie, sowie der Energie- und Verkehrswirtschaft. Die anderen Unternehmen kommen aus dem verarbeitenden Gewerbes (Elektro-, Maschinen- und Anlagebau), sowie der Dienstleistungsbranche (Immobilienwirtschaft, Ingenieurdienstleitungen, Logistik, IT). Es handelt sich überwiegend um große Unternehmen. So haben 28 von ihnen mehr als 1000 Beschäftigte, die kleineren sind vielfach konzernabhängig. Die Erhebung ist also nicht repräsentativ für bestimmte Wirtschaftszweige und Unternehmensgrößen, zeigt aber, wie die Unternehmen mit akutem und zukünftigem Mangel an Fachkräften umgehen.

Mehr Informationen

Policy-Paper „Zukünftiger Qualifikations- und Fachkräftebedarf"
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