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Karin Erhard, Mitglied des geschäftsführenden Hauptvorstands der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) Magazin Mitbestimmung

Pro & Contra: Brauchen Gewerkschaften ein digitales Zugangsrecht zum Betrieb?

Ausgabe 02/2021

Ja - sagt Karin Erhard, Mitglied des geschäftsführenden Hauptvorstands der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE). Nein - sagt Steffen Kampeter, Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA).

Karin Erhard, Mitglied des geschäftsführenden Hauptvorstands der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE):
Ja. Beschäftigte im Homeoffice oder in anderen Formen digitaler Zusammenarbeit sind für Belegschaftsvertretungen und Gewerkschaften kaum zu erreichen. Nicht zuletzt deshalb, weil viele Unternehmen ihnen den digitalen Zugang zu den Menschen an ihrem Arbeitsplatz versperren. Das kommt nicht nur einer Kontaktbeschränkung gleich, es schwächt auch die Mitbestimmung und damit die innerbetriebliche Demokratie.

Das Grundgesetz gewährt Gewerkschaften ein Zugangsrecht zu Betrieb und Beschäftigten. Das ist seit jeher Teil des Koalitionsgrundrechts aus Artikel 9. Dazu gehört das Recht, Mitglieder und Nichtmitglieder über die Arbeit der Gewerkschaft zu informieren und für eine Mitgliedschaft zu werben. Und das nicht ohne Grund: Wie anders sollen sich die Menschen im Betrieb sonst organisieren?

Für uns steht außer Frage, dass dieses von der Verfassung geschützte Recht auch für die digitale Arbeitswelt gilt. Die Unternehmen müssen den Gewerkschaften den Dialog mit den Beschäftigten etwa über betriebliche Mailadressen, Firmenintranet und -netzwerke und virtuelle Schwarze Bretter ermöglichen. Dass einige Unternehmen nun den Datenschutz gegen das digitale Zugangsrecht ins Feld führen, ist für uns kein tragfähiges Argument. Weder dringen Gewerkschaften damit in die Privatsphäre der Beschäftigten ein, noch werden sie dadurch mit Spam-Mails zugeschüttet.

Steffen Kampeter, Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA):
Nein. Die Arbeitswelt verändert sich und das hat zweifellos auch Einfluss auf die Sozialpartner: Sie müssen nun auch auf digitalen Wegen kommunizieren und für sich werben. Für den Zugang der Gewerkschaften zum Betrieb hat die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts einen praktikablen Rahmen entwickelt, der den Interessen der Gewerkschaften ebenso wie den betrieblichen Anforderungen angemessen Rechnung trägt. Was in der Praxis gut läuft, bedarf deshalb auch keiner gesetzlichen Regelung. Natürlich wollen wir Arbeitgeber die Gewerkschaften in einer digitalisierten Arbeitswelt nicht ausbremsen, aber die technischen Details, Voraussetzungen und Möglichkeiten können die Sozialpartner in bewährter Zusammenarbeit am besten selbst regeln.

Es gibt viele Beispiele aus verschiedenen Branchen, in denen die Sozialpartner gemeinsam konstruktive Vereinbarungen zum Zugang der Gewerkschaften getroffen haben. Diese werden in der Praxis erfolgreich umgesetzt. Wo es kein Regelungsdefizit gibt und dort, wo die Sozialpartner selbst gemeinsam passende Lösungen und Leitlinien vereinbaren können, besteht deshalb kein Anlass für gesetzgeberische Aktivitäten. Auch sind die technischen Voraussetzungen in den Betrieben immer noch sehr unterschiedlich. Die Sozialpartner vor Ort können am besten selbst entscheiden, wie die Anforderungen von Gewerkschaften und Betrieben gleichermaßen umgesetzt werden können.

  • Steffen Kampeter, Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA):

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