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Magazin Mitbestimmung

: 'Ein Strohmann, kein Verleiher'

Ausgabe 06/2005

Die konzerninterne Arbeitnehmerüberlassung ist rechtlich angreifbar, wenn ein Unternehmen innerhalb eines Konzerns nur deshalb als Leiharbeitgeberin tätig wird, um die Lohnkosten anderer Konzernunternehmen zu senken.

Im Januar 2005 hatte das Landesarbeitsgericht Berlin über einen Fall zu entscheiden, in dem ein Arbeitnehmer zunächst befristet bei den Berliner Wasserbetrieben beschäftigt war. Danach wurde er von einem Zeitarbeitsunternehmen dieses Konzerns weiter beschäftigt und erneut auf seinem alten Arbeitsplatz befristet eingesetzt. Er verklagte die Zeitarbeitsfirma wegen unwirksamer Befristung auf Weiterbeschäftigung. Den Prozess hat er verloren, denn er hätte sich an seinen ersten Arbeitgeber wenden müssen.

Juristisch ist der Fall gleichwohl relevant - denn das Urteil der Berliner Richter (7.1.2005, Az.: 6 Sa 2008/04) deutet darauf hin, dass ein von arbeitgebernahen Beratern propagiertes Personalkostensparmodell rechtlich nicht zulässig ist - zumindest unter bestimmten Umständen. In der Vergangenheit hatten Berater Unternehmen ausdrücklich ermuntert, als alternative oder flankierende Maßnahme zum Personalabbau das Tarifniveau durch die Gründung von Arbeitnehmer-Überlassungsgesellschaften zu senken.

Der Konzern als einziger Kunde

Die Zeitarbeitsunternehmen, die auf diese Weise entstehen, agieren nicht am freien Markt, wo sie unternehmerischen Risiken wie etwa Nichteinsatzzeiten ausgesetzt sind, sondern versorgen ausschließlich die konzerneigenen Unternehmen mit Arbeitskräften. Den Unternehmen geht es in diesen Fällen nicht darum, die Mitarbeiterzahl schnell an den flexiblen Personalbedarf anzupassen, sondern schlicht darum, bei den Löhnen zu sparen. Es gelten nicht mehr die teuren Branchentarifverträge, sondern die günstigeren Verträge für die Zeitarbeit.
Dieses Sparmodell wurde erst durch die Änderungen des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes zum 1. Januar 2004 für Arbeitgeber attraktiv (Magazin Mitbestimmung 10/2003).

Seitdem können Beschäftigte ohne eine zeitliche Beschränkung im Entleiherbetrieb tätig werden. Damit ist die Möglichkeit geschaffen worden, über befristete Einsätze hinaus auch die Stammbelegschaft dauerhaft von Zeitarbeitsunternehmen zu entleihen.
"Der jetzt entschiedene Fall ist keine Ausnahmeerscheinung", bestätigt der ver.di-Justiziar Helmut Platow. Er vertritt in zwei weiteren Fällen Beschäftigte aus der Druckindustrie und dem Verlagswesens vor dem Arbeitsgericht.

Höheres Risiko für Arbeitgeber

Die Richter vertreten in dem konkreten Fall die Auffassung, dass die Praxis des Konzerns einen Rechtsformmissbrauch darstellt. Damit hat sich das Risiko für die Arbeitgeber deutlich erhöht. Sie müssten mit erheblichen Nachzahlungen an die klagenden Beschäftigten und die Sozialversicherungssysteme rechnen, wenn die angerufenen Arbeitsgerichte sich der Entscheidung des Berliner Landesarbeitsgerichtes anschließen. Einiges spricht dafür, dass die Berliner Richter nicht allein sind.

Auf einer Tagung der Hans-Böckler-Stiftung hatte Peter Schüren, Juraprofessor an der Universität Münster und renommierter Kommentator des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes, unlängst erklärt: "Ein Verleiher, der nichts anderes tut, als die Arbeitnehmer eines Unternehmens anzustellen und dann wieder an dieses Unternehmen auszuleihen, ist kein Verleiher, sondern ein Strohmann."

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