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HBS Böckler Impuls

Unternehmensmitbestimmung: Zustimmung zum deutschen Modell stabil

Ausgabe 13/2006

Allen Diskussionen zum Trotz - eine große Mehrheit der Bevölkerung hält die Mitbestimmung in deutschen Unternehmen für unverzichtbar. Zum zweiten Mal hat die Hans-Böckler-Stiftung die Einstellung der Deutschen zur Mitbestimmung von TNS Emnid untersuchen lassen. Ergebnis: Die Zustimmung ist nicht nur stark ausgeprägt, sondern auch stabil. Bei einer Befragung vor zwei Jahren äußerte sich die Bevölkerung genauso positiv.

Im März 1976 verabschiedete der Bundestag mit großer Mehrheit das "Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer". Heute, 30 Jahre später, möchte es die deutsche Bevölkerung nicht mehr missen. "Das deutsche Modell der Unternehmensmitbestimmung hat sich bewährt, deshalb sollte man es erhalten." - dieser Aussage stimmen 83 Prozent zu. Egal, ob aus Ost oder West, Nord oder Süd, ob Mann oder Frau, jung oder alt: Der Grad der Zustimmung ist nahezu gleich hoch, zeigt die repräsentative Umfrage.

Warum 88 Prozent der Befragten Mitbestimmung für notwendig halten, erklärt ein Blick auf die Detailfragen: Sie ist ein Standortvorteil für Deutschland, sagen 77 Prozent, befördert die Entwicklung der Unternehmen positiv, sogar 80 Prozent. Sie steigert die Motivation und Identifikation der Beschäftigten (88 Prozent), sie trägt zu einer mündigen und selbstbewussten Belegschaft bei (89 Prozent). 69 Prozent glauben, sie schütze Arbeitnehmer in Krisenzeiten.

Zu den konkreten Regelungen des 76er Mitbestimmungsgesetzes äußern sich die Befragten ebenfalls positiv: 85 Prozent finden es sinnvoll, dass in den Aufsichtsräten deutscher AGs Vertreter der Arbeitnehmer sitzen. 84 Prozent denken, dass deren Mitspracherechte nicht verringert werden sollten. 70 Prozent halten es für sinnvoll, dass in den Aufsichtsräten Gewerkschaftsvertreter mitwirken, um die Belange der Arbeitnehmer der jeweiligen Branche einzubringen.

Studien stützen Mitbestimmung

In Deutschland fördert die Mitbestimmung im Aufsichtsrat die Produktivität und Innovationskraft von Unternehmen. In Europa finden sich starke Ökonomien dort, wo Arbeitnehmer bis in die Unternehmensspitze hinein obligatorisch mitentscheiden. So die Ergebnisse von Studien nur Unternehmensmitbestimmung.

"Auf die sozial- und wirtschaftswissenschaftliche Forschung können sich Kritiker der Mitbestimmung nicht berufen", schrieb Martin Höpner vom Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung bereits im Oktober 2004. Neuere Forschungsergebnisse finden weitere Belege für positive Wirkungen der Mitbestimmung.

Kornelius Kraft von der Uni Dortmund und Felix FitzRoy, zu Gast am Forschungsinstitut zur Zukunft der Arbeit, fanden heraus: Die 76er Mitbestimmung wirkt sich positiv auf die Produktivität der Unternehmen aus, in denen es Anwendung findet. Die Forscher untersuchten 179 Aktiengesellschaften, für die vor 1976 nur die Drittelbeteiligung galt. Ihr Fazit: Die "Verstärkung der Arbeitnehmerrechte hat einen geringen positiven Einfluss auf das Produktivitätsniveau gehabt."

Die Mitbestimmung im Aufsichtsrat befördert auch die Innovationskraft in Unternehmen. Kraft und sein Kollege Jörg Stank untersuchten die Entwicklung der Patenterteilungen in 155 AGs. Der Befund: Die Anzahl der erteilten Patente ist in mitbestimmten Unternehmen signifikant höher.

Auch im europäischen Vergleich zeigt sich: Mitbestimmung steht dem wirtschaftlichen Erfolg eines Landes nicht entgegen. Im Auftrag des SEEurope Network unter Leitung von Norbert Kluge verglich Sigurt Vitols vom Wissenschaftszentrum Berlin Mitgliedsländer der EU, die ausgebaute Arbeitnehmerbeteiligung haben (wie Deutschland), mit Staaten mit schwach ausgeprägten oder nicht vorhandenen gesetzlichen Vorgaben. Bei Arbeitslosigkeit, Streiktagen, Arbeitsproduktivität, Leistungsbilanz oder der wirtschaftlichen Attraktivität aus Sicht der Unternehmer schnitten Staaten mit ausgebauter Mitbestimmung besser ab als solche ohne. Vitols' Fazit: "Wenn Mitbestimmung keine negativen ökonomischen Auswirkungen hat, so ist sie zu begrüßen, weil sie Vorteile für Arbeitnehmer bedeutet."

  • Es gibt große Zustimmung für die Mitsprache der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat. Zur Grafik
  • Die Bundesbürger gehen davon aus: Das deutsche Wirtschaftsmodell profitiert von der Mitbestimmung. Zur Grafik
  • Das Gros der Befragten geht davon aus, dass Mitbestimmung die Arbeitsbereitschaft der Beschäftigten fördert. Zur Grafik
  • Der mehhreit der Befragten geht davon aus, dass Mitbestimmung die Beschäftigten in der Krise effektiv schützt. Zur Grafik
  • Mitsprache wird als Vorteil für die Unternehmen verstanden. Zur Grafik
  • Eine große Mehrheit der Bevölkerung unterstützt diese These. Zur Grafik

Umfrage zur Mitbestimmung in Deutschland, TNS Emnid im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung, August 2006, 1.007 Befragte.

Felix FitzRoy, Kornelius Kraft: Die Auswirkungen der gesetzlichen Mitbestimmung auf die Produktivität deutscher Unternehmen, in: Das Ethische in der Ökonomie, Festschrift für Hans Nutzinger, 2005.

Kornelius Kraft, Jörg Stank: Die Auswirkungen der gesetzlichen Mitbestimmung auf die Innovationsaktivität deutscher Unternehmen, in: Schmollers Jahrbuch, 2004.

Sigurt Vitols: Prospects for Trade Unions in the Evolving European System of Corporate Governance, ETUI-REHS, Brüssel 2005.
Der Bericht auf Deutsch: Strategien für Gewerkschaften in einem europäischen System der Corporate Governance, August 2005.
Bericht zum Download (pdf)

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