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Weniger auf dem Teller wegen hoher Preise Böckler Impuls

Konsum: Weniger auf dem Teller wegen hoher Preise

Ausgabe 12/2022

Mehr als die Hälfte der Erwerbspersonen mit niedrigen Einkommen will den Kauf von Lebensmitteln wegen der Inflation einschränken.

Die Inflation zwingt zum Sparen: 52 Prozent der Erwerbspersonen in Deutschland mit Haushaltseinkommen bis 2000 Euro netto monatlich sehen sich genötigt, auf Nahrungsmittel, Getränke oder Tabakwaren zu verzichten, weil die Preise insbesondere für Energie so stark gestiegen sind. 63 Prozent geben zudem an, beim Kauf von Kleidung und Schuhen inflationsbedingt Abstriche machen zu wollen. Das ergibt eine Studie des IMK auf Basis einer repräsentativen Befragung, an der Ende April und Anfang Mai 2022 gut 6200 Erwerbstätige und Arbeitsuchende teilgenommen haben.

Der akute Druck, den Konsum von Alltagsgütern zu reduzieren, nimmt zwar mit wachsendem Einkommen ab. Gleichwohl wirkt er weit in die Gesellschaft hinein: Über alle Einkommensgruppen hinweg wollen 39 Prozent der Erwerbspersonen künftig weniger Nahrungs- und Genussmittel kaufen. Bei Bekleidung und Schuhen wollen sich 53 Prozent einschränken. Je nach Energieart geben überdies 62 bis 73 Prozent aller Befragten an, ihren Verbrauch verringern zu wollen. Bei Haushalten mit niedrigen Einkommen ist der Anteil deutlich höher. 

Die Befragungsdaten zeigen auch, wie groß die Lücken sind, die vor allem der Anstieg der Energiepreise nach dem russischen Angriff auf die Ukraine in viele Haushaltsbudgets reißt: Knapp 36 Prozent der Befragten geben an, sie bräuchten aktuell monatlich 100 bis 250 Euro zusätzlich, um ihren bisherigen Lebensstandard halten zu können. Weitere 25 Prozent beziffern den Bedarf auf 50 bis 100 Euro, 16 Prozent nennen sogar 250 bis 500 Euro.

Die Ergebnisse zeigten erstens, wie die hohe Inflation soziale Ungleichheiten verschärft, erklären die Studienautoren Sebastian Dullien und Jan Behringer. Bedenklich sei, dass Erwerbspersonen mit niedrigen Einkommen und deren Familien in besonderem Maße Einsparungen bei Grundbedürfnissen planen, für die ihnen ohnehin nur begrenzte Mittel zur Verfügung stehen. Zweitens drohe die sich abzeichnende Konsumzurückhaltung, „die Erholung des privaten Verbrauchs nach der Corona-Pandemie zu verzögern“. Das könne die Konjunktur deutlich schwächen.

Die Forscher konstatieren, dass die Hilfspakete der Bundesregierung zwar viele Erwerbstätige – im Gegensatz zu Rentnerinnen und Rentnern sowie Studierenden – spürbar vom ersten akuten Preisschock entlastet haben und bei ihnen auch eine gewisse soziale Balance aufwiesen. Allerdings trage die Aufsplitterung auf eine „Vielzahl von Einzelmaßnahmen“ wahrscheinlich dazu bei, dass die Entlastungspolitik, für die bislang rund 30 Milliarden Euro vorgesehen sind, im Alltag weniger wahrgenommen werde, so Dullien. Zudem unterstrichen die Umfrageergebnisse, dass die Entlastungen für viele Haushalte mit geringeren und mittleren Einkommen nicht ausreichend seien und sozial besser austariert werden müssten.

„Die Politik sollte dies beim Design weiterer Entlastungspakete berücksichtigen und weitere Maßnahmen so konzipieren, dass Haushalte mit geringen Einkommen stärker entlastet werden als jene mit höheren Einkommen“, schreiben Dullien und Behringer. Entsprechende Maßnahmen hätten, ähnlich wie Kinderbonus oder Energiepreis­pauschale, dann auch das Potenzial, die Wirtschaft zu stabilisieren, argumentieren die Ökonomen auf Basis weiterer Ergebnisse der Umfrage. So gaben die befragten Erwerbs­personen an, im Schnitt 48 Prozent der für den September zur Auszahlung vorgesehenen Energiepauschale in den kommenden zwölf Monaten ausgeben zu wollen. Dies deute darauf hin, dass die Zahlungen einen spürbaren Beitrag zur Stützung der Konsumnachfrage leisten könnten, schreiben die IMK-Experten, „zumal frühere Befragungen nahelegen, dass bei vergleichbaren Einmalzahlungen am Ende weniger der zusätzlich erhaltenen Mittel gespart werden als ursprünglich geplant“.

Jan Behringer, Sebastian Dullien: Energiepreisschock: Besonders Geringverdiener wollen Konsum deutlich einschränken. Ergebnisse aus der HBS-Erwerbspersonenbefragung, IMK Policy Brief Nr. 125, Juni 2022

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