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HBS Böckler Impuls

Demografie: Was die Rente sichert

Ausgabe 11/2018

Das Rentensystem lässt sich stabilisieren – wenn der Staat mehr investiert und die Löhne deutlich steigen.

Wird die Rente für künftige Generationen reichen? Was passiert, wenn immer mehr Senioren auf weniger Menschen im Erwerbsalter kommen? Müssen Beschäftigte bald bis 70 arbeiten? „Rentenpolitische Katastrophenszenarien haben wieder Konjunktur“, sagt Rudolf Zwiener vom IMK. Allerdings werde in der Debatte systematisch ausgeblendet, dass die wichtigste Stellschraube für die Gestaltung des demografischen Wandels und für die Alterssicherung der Arbeitsmarkt ist. In einer umfassenden Analyse zeigt der Forscher auf, wie groß die Gestaltungsspielräume sind. Das Ergebnis: Mit mehr staatlichen Investitionen, mehr Beschäftigung und besser bezahlter Arbeit ließe sich die Alterssicherung in Deutschland langfristig ohne Eingriffe bei Rentenniveau und Renteneintrittsalter stabilisieren.

Zwieners Modellrechnung zeigt, dass höhere Investitionen in öffentliche Infrastruktur und Wohnungsbau sowie in Bildung, Verwaltung oder Pflege das Wachstum und die Beschäftigung in den kommenden 15 Jahren deutlich steigern würden. Dabei kalkuliert der Forscher so: Die höheren Investitionen und Staatsausgaben fließen zu je einem Viertel in öffentliche Infrastruktur wie Straßen oder Breitbandnetze, in den Wohnungsbau, in Bildung sowie in höhere Ausgaben für Pflege und Rente. Das Programm läuft in Schritten über 15 Jahre. Alle drei Jahre wird die jährliche Summe um 16 Milliarden Euro erhöht, sodass die Ausgaben dafür am Ende gut 60 Milliarden Euro pro Jahr betragen. Bei den veranschlagten Summen hat sich der IMK-Forscher an verschiedenen Studien zum Investitionsbedarf orientiert. Unterstützt werden sollte das Programm durch stärkere Lohnsteigerungen. Denn mehr und besser bezahlte Erwerbstätigkeit wirkt sich positiv auf die binnenwirtschaftliche Entwicklung aus, die damit verbundenen höheren Beiträge kommen der sozialen Sicherung zugute. Gleichzeitig sinkt die Unterbeschäftigung am deutschen Arbeitsmarkt. 

Im Ergebnis ist die Wirtschaft nach 15 Jahren deutlich stärker gewachsen, als dies ohne Wachstumsstrategie geschehen wäre: Das zusätzliche Plus beim Bruttoinlands­produkt beträgt sechs Prozent. Die Zahl der Erwerbstätigen ist um zusätzlich 4,5 Prozent gestiegen, was rund zwei Millionen Personen entspricht. Dabei erhöht sich die Zahl der Voll- und der Teilzeitbeschäftigten. Ziel ist es, dass Frauen weit seltener als bisher nur in kurzer Teilzeit beziehungsweise Minijobs arbeiten, die kein eigenständiges Auskommen ermöglichen. Die Nominallöhne entwickeln sich deutlich kräftiger, was auch die Einkommen der Rentnerinnen und Rentner stärkt. Zwar steigen die Lohnstückkosten im Zuge der besseren wirtschaftlichen Entwicklung und der höheren Löhne stärker. Bei dem höheren Wachstum machen aber auch die Unternehmen bessere Geschäfte, ihre Gewinne steigen um zusätzliche 16 Prozent. „Die Wachstumsgewinne kommen damit Unternehmen und Arbeitnehmern gleichermaßen zugute“, schreibt Zwiener.

Fazit des Forschers: „Die Stabilisierung des gegenwärtigen Rentenniveaus wird mit einer solchen Wachstums- und Beschäftigungspolitik unterstützt, und langfristig notwendige Steuer- und Beitragssatzerhöhungen werden damit erheblich reduziert.“ Die Kosten für das skizzierte Wachstumsprogramm könne Deutschland stemmen. Durch das stärkere Wachstum, das dem Staat höhere Steuereinnahmen beschert, finanziere es sich zu einem erheblichen Teil selbst. 

Die aktuelle Berechnung ergänzt eine kürzlich vorgestellte Studie, in der Forscher der Hans-Böckler-Stiftung, der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin und der Arbeiterkammer Wien gezeigt haben, dass die Lasten des demografischen Wandels bis 2060 durch eine bessere Erwerbsintegration von Frauen, Migranten und Älteren erheblich reduziert werden können.

  • Höhere Investitionen in öffentliche Infrastruktur, Wohnungsbau, Bildung, Verwaltung und Pflege würden nach Berechnungen des IMK das Wachstum und die Beschäftigung in den nächsten 15 Jahren deutlich steigern. Zur Grafik

Rudolf Zwiener: Mehr und besser bezahlte Arbeit statt „Rente mit 70“ (pdf). Modellsimulation einer erfolgreichen Wachstums- und Beschäftigungspolitik zur Bewältigung des demografischen Wandels, IMK Policy Brief Nr. 4, Juni 2018 

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