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Stablecoins richtig regulieren Böckler Impuls

Geldpolitik: Stablecoins richtig regulieren

Ausgabe 14/2025

Die EU sollte sich darauf einstellen, dass digitale Währungen künftig eine größere Rolle spielen könnten.

Kryptowährungen wie Bitcoin dürften vielen Menschen vor allem für ihre spektakulären Kursschwankungen bekannt sein. Als „stabile“ Alternative werden Stablecoins vermarktet: digitale Zahlungsmittel, deren Wert an eine nationale Währung wie den US-Dollar gebunden ist. Ende Juli unterzeichnete der amerikanische Präsident Donald Trump den Genius Act, ein Gesetz, das erstmals USA-weit die Herausgabe von Stablecoins reguliert. Die Trump-Regierung hat ein Interesse daran, solche Kryptowährungen attraktiv zu machen. Unter anderem, weil sie dazu beitragen können, die internationale Vormachtstellung des US-Dollars im digitalen Zeitalter zu sichern.

Was davon aus geldpolitischer Sicht zu halten ist, hat Peter Bofinger untersucht, der an der Universität Würzburg lehrt und Senior Research Fellow des IMK ist. Seiner Analyse zufolge stellen Stablecoins zurzeit noch ein Nischenprodukt dar, könnten sich aber in manchen Bereichen durchaus als Erfolgsmodell entpuppen. Um sich für diese Entwicklung zu wappnen, sollte die EU ihre Regulierung anpassen und alternative Zahlungssysteme fördern. „Mit ihrer aktuellen Regulierung der Stablecoins ist die EU auf dem Holzweg: Stablecoins, die durch Bankeinlagen gedeckt werden müssen, sind nicht ,stable‘. Die EZB kann mit dem Digitalen Euro keine Alternative bieten. Der für den Einzelhandel im Euroraum konzipierte Digitale Euro ist als globales Zahlungsmittel für Unternehmen ungeeignet“, umreißt Bofinger den Reformbedarf.

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Bei Stablecoins sind Tether und USD Coin in den vergangenen Jahren zusammen stets auf einen Marktanteil von über 80 Prozent gekommen.
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Laut IMK-Direktor Sebastian Dullien haben Stablecoins das Potenzial, die Kosten internationaler Transaktionen deutlich zu verringern. „Werden sie aber unzureichend oder falsch reguliert, so drohen neue Risiken auch für das traditionelle Finanzsystem. Der Genius Act ist nicht geeignet, diese Risiken einzuhegen. Er sollte ein Wecksignal für die Europäer sein, sich eine eigene Strategie zu suchen, den Euro als internationale Währung zu stärken und internationale Transaktionskosten zu senken.“

Jetons für das Krypto-Kasino

So wie andere Kryptowährungen hätten Stablecoins den Vorteil, dass sie direkte Zahlungen ohne den Umweg über Banken ermöglichen, schreibt Bofinger. Die Bindung an eine staatliche Währung werde auf zweierlei Art erreicht: Die Stablecoins seien entweder durch Bankguthaben oder durch Staatsanleihen weitgehend gedeckt, sodass sie sich jederzeit in die entsprechende Währung umtauschen lassen.

Regelmäßig genutzt werden Stablecoins der Studie zufolge zum einen für den Handel auf Kryptobörsen – ähnlich wie Jetons, die man für ein Kasino braucht. Zum anderen seien sie für internationale Zahlungen gut geeignet, da die Abwicklung schneller und sicherer funktioniert als bei Überweisungen, an denen Banken in mehreren Staaten beteiligt sind. Wegen der Anonymität könnten die digitalen Währungen für illegale Geschäfte missbraucht, aber auch für die Wertaufbewahrung in Ländern mit instabilen Finanzsystemen und Kapitalverkehrskontrollen genutzt werden. Im Einzelhandel hingegen seien sie unbedeutend, weil es dort gut etablierte und effiziente Alternativen gibt.

Wie oft bei digitalen Plattformen schränkten Netzwerk­effekte den Wettbewerb ein, so Bofinger. Infolgedessen gebe es zwei dominante Anbieter – Tether und USD Coin –, die in den vergangenen Jahren zusammen stets auf einen Marktanteil von über 80 Prozent gekommen sind. Beide Unternehmen bieten durch US-Staatsanleihen gedeckte Stablecoins an – was die Nachfrage nach amerikanischen Schuldverschreibungen vergrößert. Der Gesamtwert sämtlicher Stablecoins lag im Mai 2025 bei 246 Milliarden Dollar, was gut einem Prozent der US-Geldmenge entspricht.

Angesichts dieser überschaubaren Bedeutung seien die Risiken für die Geldpolitik aktuell begrenzt, erklärt der Ökonom. Es sei aber nicht auszuschließen, dass sich das unter anderem durch den Genius Act ändert. Wie mit potenziellen Gefahren am besten umzugehen ist, hänge dabei auch von der Deckung der Stablecoins ab.

Ein Geschäftsmodell mit Fluchtgefahr

Wenn Stablecoins, die durch Bankguthaben gedeckt sind, in Verkehr gebracht werden, ändere sich an der Geldmenge insgesamt nichts, heißt es in der Studie. Die Kontrolle der Zentralbank über die Geldschöpfung sei in diesem Fall also nicht gefährdet. Wenn es allerdings zu einer Flucht aus Stablecoins kommen sollte, also auf einen Schlag große Mengen von ihnen umgetauscht werden, könnten die Banken, bei denen die Guthaben zur Sicherung deponiert sind, in Schieflage geraten. Umgekehrt sei die Krise einer einzelnen Bank in der Lage, die Stabilität einer digitalen Währung in Mitleidenschaft zu ziehen. Das habe das Beispiel der Silicon Valley Bank gezeigt, deren Kollaps im März 2023 den Kurs von USD Coin kurzfristig von einem Dollar auf 0,88 Dollar einbrechen ließ.

Der Gesamtwert sämtlicher Stablecoins lag im Mai 2025 bei 246 Milliarden Dollar. Die US-Geldmenge M2 belief sich auf 21,8 Billionen Dollar, die Eurozonen-Geldmenge M3 16,9 Billionen Euro.
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Die Deckung durch Staatsanleihen ist Bofinger zufolge in dieser Hinsicht weniger riskant: Wenn es zu massenhaften Verkäufen kommt, belaste das zwar den Markt für Staatsanleihen. Allerdings sei dieser Markt zum einen sehr liquide, zum anderen könne die Zentralbank hier besser eingreifen als bei einzelnen Banken, ohne den Wettbewerb zu verzerren. Unabhängig von der Art der Deckung könnten sich indes längere Phasen mit niedrigen oder negativen Zinsen verhängnisvoll auswirken. Denn das Geschäftsmodell rechne sich nur, wenn die Staatsanleihen oder Bankguthaben, die zur Sicherung der zinslosen Stablecoins dienen, ihrerseits Rendite abwerfen.

Da der Ankauf von Staatsanleihen durch Stablecoin-Anbieter die Geldmenge erhöht, stelle sich zudem die Frage, wie Zentralbanken diesen Prozess steuern können, so der Wissenschaftler. Die Anbieter so wie Geschäftsbanken zu verpflichten, Mindestreserven in Form von Zentralbankgeld zu halten, wäre zwar denkbar, allerdings schwer durchzusetzen, wenn es sich um ausländische Unternehmen handelt. Als letztes Mittel könnten Zentralbanken selbst digitale Währungen anbieten, die Zinsen bringen, und so die Nachfrage nach Stablecoins senken.

Sorgen hinsichtlich einer „Dollarisierung“ der Eurozone hält Bofinger zwar für stark übertrieben: Solange der Euro eine stabile Währung ist, sei es wenig wahrscheinlich, dass Bürgerinnen und Bürger massenhaft umsteigen. Aus Sicht der europäischen Politik stelle die absehbar wachsende Rolle ausländischer Stablecoin-Anbieter aber eine „zusätzliche Bedrohung für die digitale Souveränität“ dar. Damit hiesige Wettbewerber überhaupt eine Chance haben, müsse unter anderem die EU-Regulierung geändert werden. Diese schreibe bislang noch eine Deckung durch Bankguthaben vor – nach Bofingers Analyse können dadurch die genannten Risiken für die Finanzstabilität entstehen. Der Digitale Euro sei keine überzeugende Antwort, stattdessen empfehle es sich, nationale Zahlungssysteme der Mitgliedsstaaten besser miteinander zu verknüpfen, damit grenzüberschreitende Transaktionen einfacher und günstiger werden.

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