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Mütter in der Krise Böckler Impuls

Gesellschaft: Mütter in der Krise

Ausgabe 01/2023

Erst die Pandemie, dann die wirtschaftlichen Folgen des Ukrainekriegs – viele Menschen haben das Gefühl, in einer Dauerkrise zu stecken. Das gilt besonders für eine Gruppe.

Mütter haben es in der aktuellen Krise schwer. Sie fühlen sich stärker belastet, gleichzeitig ist ihr Vertrauen in den Staat auf einen Tiefpunkt gesunken. Das ist ein Ergebnis der Erwerbspersonenbefragung der Hans-Böckler-Stiftung. „Die Mütter sind deutlich unzufriedener mit dem Krisenmanagement als der Rest der Bevölkerung“, sagt Bettina Kohlrausch, wissenschaftliche Direktorin des WSI. Die Politik habe lange ignoriert, dass in der Gesellschaft nicht nur Erwerbsarbeit, sondern auch Sorgearbeit geleistet werden muss – und die bleibe hauptsächlich Sache der Frauen. Für die neue Welle der Befragung, die Kohlrausch zusammen mit den WSI-Forschern Andreas Hövermann und Helge Emmler auswertet, wurden im November rund 5100 Erwerbstätige und Arbeitsuchende zu ihrer Lebenssituation befragt. Dieselben Personen waren seit Frühjahr 2020 mehrmals interviewt worden, wodurch Veränderungen im Zeitverlauf ersichtlich werden.

Zwar ist der Anteil der Mütter, die sich insgesamt stark belastet fühlen, im Vergleich zum Beginn der Coronakrise gesunken. Er lag im November 2022 aber immer noch bei knapp 30 Prozent – und damit höher als bei allen anderen Gruppen. Im Durchschnitt aller Befragten waren es zum gleichen Zeitpunkt rund 22 Prozent.  

Auch in den Bereichen Familie, Arbeit und Finanzen hatten Mütter zuletzt höhere Belastungen als andere Gruppen. Besonders auffällig: 40 Prozent der Mütter berichteten von ex­tremen finanziellen Belastungen, im Durchschnitt aller Befragten taten dies 27 Prozent.

Deutlich gestiegen ist die Unzufriedenheit der Mütter mit der Politik: Während im Oktober 2021 gut 16 Prozent von ihnen sagten, sie hätten „überhaupt kein Vertrauen“ in die Bundesregierung, waren es ein Jahr später 34 Prozent. 

Betreuungsausfälle zu kompensieren und die psychosozialen Folgen der Pandemie aufzufangen, bleibt überwiegend eine Aufgabe der Mütter. Mehr Unterstützung durch die Männer erhalten sie offenbar nicht: Die Aufteilung der Sorgearbeit zwischen Müttern und Vätern hat sich in etwa wieder auf dem Niveau von vor der Corona-Pandemie eingependelt. 63 Prozent der Mütter gaben an, den überwiegenden Teil der Kinderbetreuung zu leisten, während es bei den Vätern 6 Prozent waren. „Hier lässt sich also eine Verstetigung der schon vor der Krise sehr ungleichen Verteilung der Sorgearbeit feststellen. Damit wird deutlich, dass die von einigen Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen vermutete Egalisierung der Geschlechterverhältnisse während der Pandemie nicht stattgefunden hat“, so Kohlrausch.

Weitere Informationen zur Erwerbspersonenbefragung der Hans-Böckler-Stiftung.

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