Schuldenbremse: Mehr Akzeptanz für Kredite
Große Teile der Bevölkerung befürworten die jüngste Reform der Schuldenbremse. Vor allem zusätzliche Kredite für Investitionen in Infrastruktur und Klimaschutz sowie Verteidigung stoßen auf breite Zustimmung.
Schulden sind schlecht. Besonders, wenn es der Staat ist, der sich Geld leihen muss. Dies war in Deutschland lange die Ansicht der Mehrheit. Entsprechend populär war die rigorose Schuldenbremse. Das Argument, dass es öffentliche Aufgaben gibt, die man besser über Kredite finanziert, als sie zu vernachlässigen, verfing nur bei einer Minderheit. Das hat sich geändert.
Viele Menschen erachten „die gegenwärtigen wirtschaftlichen und geopolitischen Herausforderungen als so gravierend“, so eine aktuelle IMK-Studie von Jan Behringer und Lukas Endres, „dass eine höhere Staatsverschuldung als vertretbar angesehen wird“. Die Forscher haben eine repräsentative Befragung mit rund 2700 Teilnehmenden ausgewertet. Demnach befürworten rund 40 Prozent der Bevölkerung die Reform der Schuldenbremse vom März dieses Jahres, die neue öffentliche Kredite ermöglicht hat, gut 20 Prozent sind zumindest nicht dagegen.
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Die Reform beinhaltet im Wesentlichen drei Elemente: Erstens sind Ausgaben für Verteidigung und Sicherheit, die ein Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) übersteigen, nun von der Schuldenbremse ausgenommen. Zweitens können Bundesländer jetzt gemeinsam Kredite bis zu einer Höhe von 0,35 Prozent des BIP aufnehmen. Drittens wurde die Möglichkeit geschaffen, Kredite in Höhe von 500 Milliarden Euro für zusätzliche Investitionen in Infrastruktur und Klimaneutralität aufzunehmen.
Die Zustimmung fällt nicht zu allen drei Teilen der Reform gleich hoch aus. 51 Prozent der Befragten sprechen sich für das 500-Milliarden-Sondervermögen für Infrastruktur und Klimaneutralität aus.
Bei der sogenannten Bereichsausnahme zur Kreditfinanzierung höherer Verteidigungsausgaben sind es 49 Prozent. Weitere rund 16 beziehungsweise 20 Prozent stehen diesen beiden Reformelementen neutral gegenüber. Weniger Zustimmung findet die erweiterte Verschuldungsmöglichkeit für die Bundesländer. 38 Prozent der Befragten befürworten diese, knapp 26 Prozent sehen es neutral.
Die Investitionen in Infrastruktur und Klimaschutz erfahren unabhängig vom Alter der Befragten breite Unterstützung: In fast allen Altersgruppen befürworten mehr als 50 Prozent das Sondervermögen, lediglich unter den Befragten zwischen 45 und 65 Jahren liegt die Zustimmung mit knapp 48 Prozent etwas niedriger. Anhängerinnen und Anhänger von Union, SPD und Grünen befürworten die Reform der Schuldenbremse insgesamt mit Werten zwischen 58 und 63 Prozent. Der 500-Milliarden-Topf für Infrastruktur findet auch unter Befragten, die mit der Linken oder der FDP sympathisieren, eine absolute Mehrheit. Bemerkenswert ist dabei die hohe Zustimmungsquote unter Anhängerinnen und Anhängern der Union. Sie beträgt 65 Prozent. Auf Ablehnung stößt die Reform dagegen bei Anhängerinnen und Anhängern der AfD, von denen jeweils gut zwei Drittel das Sondervermögen und die Reform der Schuldenbremse insgesamt ablehnen.
Die aus den Umfragedaten ablesbare „Neubewertung der Schuldenbremse“ in weiten Teilen der Bevölkerung und die erhöhte Akzeptanz, die vor allem zweckgebundene Formen der staatlichen Kreditaufnahme finden, lieferten Hinweise, „dass Weiterentwicklungen der Schuldenregel, die Raum zur Finanzierung öffentlicher Investitionen schaffen, in der Bevölkerung auf breite Zustimmung stoßen dürften“, so die IMK-Forscher Behringer und Endres.
IMK-Direktor Sebastian Dullien, Mitglied einer von der Bundesregierung eingesetzten Expertenkommission zur Weiterentwicklung der Schuldenbremse, hebt noch einen anderen Aspekt hervor: „Viele Menschen haben eine realistische Vorstellung davon, dass sich der auch durch die alte Schuldenbremse verursachte gigantische Investitionsstau in Deutschland durch Sondervermögen und Co. zwar verkleinern, aber allein damit nicht auflösen lässt.“ So rechnen rund 63 Prozent der Befragten als Folge der Reform mit einer Erhöhung der Verteidigungsfähigkeit, 51 Prozent erwarten Qualitätsverbesserungen bei der öffentlichen Infrastruktur und knapp 45 Prozent Rückenwind für die Konjunktur. Allerdings meint jeweils ein erheblicher Anteil in diesen Gruppen, dass die erwarteten positiven Effekte nicht besonders groß ausfallen werden.
„Ich ziehe daraus zwei Schlüsse: Erstens gibt es in der Gesellschaft ein erhebliches Bewusstsein dafür, dass wir längerfristig am Ball bleiben müssen, um die Versäumnisse von Jahrzehnten zu heilen, da reicht das Sondervermögen einfach nicht“, sagt Dullien. „Und zweitens muss die Regierung wirklich alles daransetzen, dass die Finanzmittel aus dem Sondervermögen möglichst umfassend zur Finanzierung zusätzlicher Investitionsprojekte verwendet werden, so wie angekündigt. Die Umfragedaten legen auch nahe, dass es da eine gewisse Skepsis gibt.“
Jan Behringer, Lukas Endres: Lockerung der Schuldenbremsen 2025 findet deutlichen Rückhalt in der Bevölkerung, IMK Policy Brief Nr. 205, Dezember 2025.