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HBS Böckler Impuls

Arbeitszeit: Langzeitkonten: Wenig bekannt,oft schlecht gesichert

Ausgabe 07/2012

Langzeitkonten sollen Beschäftigten mehr Freiraum bei der Lebensplanung ermöglichen. In der Praxis bestehen allerdings noch erhebliche Mängel. So ist nur ein Teil der Zeitguthaben gegen Insolvenz gesichert.

Auszeit gegen Überstunden: Auf einem Langzeitkonto können sich Beschäftigte Mehrarbeit langfristig gutschreiben lassen. Der Ausgleich erfolgt durch Freistellung. Kindererziehung, Weiterbildung oder der Übergang in den Ruhestand sollen auf diese Weise erleichtert werden. Um die rechtlichen Rahmenbedingungen für Langzeitkonten zu verbessern, hat der Bundestag im Dezember 2008 das „Flexi II“-Gesetz verabschiedet. Ob das gelungen ist, haben TNS Infratest Sozialforschung, das Duisburger Institut Arbeit und Qualifikation sowie Hartmut Seifert, der ehemalige Leiter des WSI, im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales untersucht. Ihre Evaluation basiert auf einer repräsentativen Betriebsbefragung, Fallstudien und Experteninterviews. Sie zeigt: Der Gesetzgeber hat seine Ziele allenfalls teilweise erreicht.

Generell, so die Autoren der Studie, sind flexible Arbeitszeitregelungen und -konten in der deutschen Wirtschaft zwar weit verbreitet. „Echte“ Langzeitkonten im Sinne des „Flexi II“-Gesetzes, die ausdrücklich dem Ziel längerfristiger Freistellung dienen, gibt es hingegen in nur 2 Prozent der Betriebe. Dabei zeigen sich deutliche Unterschiede je nach Größe der Belegschaft: Von den Betrieben mit mehr als 500 Beschäftigten bieten immerhin 13 Prozent Langzeitkonten an.

Ein Ziel des „Flexi II“-Gesetzes war es, geringfügig Beschäftigten Zugang zu Langzeitkonten zu verschaffen. Wie die Evaluation zeigt, bestehen hier nach wie vor erhebliche Mängel: Ein Drittel aller Betriebe mit mehr als 50 Mitarbeitern, die Langzeitkonten anbieten, schließt Minijobber von der Nutzung aus. Auch befristet Beschäftigten bleibt der Zugang in jedem dritten dieser Betriebe verwehrt.

Der vorzeitige Übergang in den Ruhestand hat sich bei der Nutzung der Konten als wichtigster Verwendungszweck herausgestellt: Rund 30 Prozent der Betriebe mit Langzeitkonten und mehr als 50 Mitarbeitern gaben an, dass ihre Beschäftigten Wertguthaben hauptsächlich dafür verwenden. Dicht dahinter, an zweiter Stelle, rangiert nach der Evaluation eine Verwendung, die gar nicht den gesetzlichen Vorgaben entspricht: Nach Angabe der Betriebe werden die Konten bei einem Viertel der männlichen und einem Fünftel der weiblichen Beschäftigten überwiegend dafür verwendet, eine schwankende Auslastung im Betrieb auszugleichen. Dagegen sind vom Gesetz ausdrücklich vorgesehene Verwendungszwecke, wie beispielsweise Auszeiten für familiäre Verpflichtungen oder Weiterbildung, eher selten.

Auch die Übertragbarkeit von Wertguthaben, die das „Flexi II“-Gesetz verbessern sollte, lässt laut der Expertise zu wünschen übrig. Nur ein Drittel der untersuchten Betriebe sieht die Weiterführung des Kontos bei einem neuen Arbeitgeber vor. 14 Prozent bieten die Übertragung von Guthaben auf die Deutsche Rentenversicherung Bund an. Ein weiteres gravierendes Defizit: Die gesetzlichen Anforderungen in Sachen Insolvenzschutz erfüllen gerade einmal 55 Prozent der Betriebe mit Langzeitkonten und über 50 Beschäftigten.

Eines der größten Probleme bei der Umsetzung des „Flexi II“-Gesetzes, so die Gutachter, sei seine mangelnde Bekanntheit. Nur 50 Prozent aller Betriebe mit Arbeitszeitkonten, die potenziell unter den Regelungsbereich des Gesetzes fallen, sind mit der Rechtslage vertraut. Unter den exemplarisch befragten Beschäftigten sind die Inhalte des Gesetzes praktisch unbekannt: „Dies ist insofern problematisch, als die Beschäftigten ja diejenigen sind, die primär von den gesetzlichen Regelungen begünstigt werden sollen. Ohne Kenntnis können sie im Zweifelsfall ihre Rechte nicht artikulieren und folglich auch nicht durchsetzen.“

Zur geringen Verbreitung von Langzeitkonten trage außerdem bei, dass Arbeitgeber die gesetzlichen Regelungen leicht umgehen könnten. Daher wäre es hilfreich, schreiben die Autoren, „die Langzeitkonten so zu regeln, dass sie auch für Arbeitgeber attraktiver werden, ohne dabei den Schutz der Arbeitnehmer aufzuheben.“

  • Langzeitkonten im Sinne des „Flexi II“-Gesetzes gibt es in nur 2 Prozent der deutschen Betriebe. Dabei zeigen sich deutliche Unterschiede je nach Größe der Belegschaft. Zur Grafik

Arnold Riedmann, Angelika Kümmerling, Hartmut Seifert: Evaluation des Gesetzes zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Absicherung flexibler Arbeitszeitregelungen („Flexi II“-Gesetz), Bundesministerium für Arbeit und Soziales, November 2011.

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