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HBS Böckler Impuls

Finanzpolitik: Konjunkturrisiko Schuldenbremse

Ausgabe 07/2007

Die Einführung einer Schuldenbremse nach Schweizer Vorbild verspricht eine Begrenzung der Staatsverschuldung. Solch eine Strategie würde jedoch die konjunkturpolitische Handlungsfähigkeit der Finanzpolitik bedenklich beschränken, warnt das IMK.

Im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums hat der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung ein Konzept in Anlehnung an die so genannte Schweizer Schuldenbremse entwickelt. Es setzt der zulässigen Staatsverschuldung engere Grenzen: Grundsätzlich soll das Haushaltsbudget in jedem Jahr ausgeglichen sein. Im Abschwung dürfen die Ausgaben zwar im Ausmaß eines bestimmten Faktors die Einnahmen überschreiten - im Aufschwung müssen die Defizite aber wieder ausgeglichen werden. Bei einem symmetrischen Konjunkturverlauf würde der Schuldenstand also auf Dauer nicht steigen. Um kurzfristig mehr Spielraum zu haben, können unter bestimmten Umständen weitere Ausgaben auf einem Ausgleichskonto gebucht werden. Läuft die Wirtschaft gut, muss der Staat das Konto wieder glattstellen.

Die Sachverständigen waren sich jedoch untereinander nicht einig. Peter Bofinger sprach sich in einem Minderheitsvotum gegen den Vorschlag seiner Kollegen aus. Auch das IMK hat grundsätzliche Einwände. Eines der Grundprobleme des Konzepts: die Annahmen zur so genannten Einnahmenelastizität. Diese beziffert, wie stark die Staatseinnahmen in Abhängigkeit von der wirtschaftlichen Entwicklung wachsen. Der Sachverständigenrat legt die Einnahmenelastizität bei eins fest, das heißt: Die Einnahmen wachsen genauso stark wie die Wirtschaft. Weil in Zeiten guter wirtschaftlicher Entwicklung jedoch bei Steuern und Abgaben die Progression greift, wachsen in Wirklichkeit die Staatseinnahmen stärker, merkt das IMK an. Das Konzept unterschätzt also die "Konjunkturreagibilität" der Einnahmen, sprich: das Ausmaß, in dem Steuern und Abgaben im Aufschwung sprudeln und im Abschwung einbrechen.

Noch gravierender sei "die völlige Vernachlässigung der automatischen Stabilisatoren auf der Ausgabenseite", kritisiert Achim Truger, IMK-Referent für Steuer- und Finanzpolitik. Diese umfassen unter anderem die Sozialtransfers: Im Aufschwung wendet der Staat dafür weniger auf als im Abschwung, damit glättet er die konjunkturelle Entwicklung. Der Finanzexperte geht davon aus, dass die automatischen Stabilisatoren im Konzept der Wirtschaftsweisen insgesamt "etwa nur halb so groß angesetzt werden, wie dies ansonsten üblich ist". Der Vorschlag des Sachverständigenrats sei "damit schon vom theoretischen Ansatz her verfehlt", so Trugers Fazit. "Seine konkrete Umsetzung in den Jahren seit 2001 hätte die deutsche Wirtschaft zudem sehr wahrscheinlich in eine tiefe Rezession gestürzt."

  • In wirtschaftlich schlechten Zeiten steigt die Staatsverschuldung, in der Hochkonjunktur sinkt die Neuverschuldung. Eine starre Schuldenbremse könnte den Staat zu konjunkturpolitischen Fehlern zwingen. Zur Grafik

Frühjahrsprognose des IMK: Der Aufschwung geht weiter, in: IMK Report Nr. 19 April 2007.

 

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