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HBS Böckler Impuls

Finanzielle Mitarbeiterbeteiligung: Investivlöhne bisher wenig akzeptiert

Ausgabe 15/2007

Die Politik hat in der Vergangenheit bereits einige - weitgehend erfolglose - Anläufe unternommen, Investivlöhne einzuführen. Eine Literaturstudie bilanziert bisherige Erfahrungen mit finanziellen Beteiligungsinstrumenten.

Betriebliche Investivlohnmodelle haben bisher weder bei den Arbeitnehmern noch bei den Arbeitgebern größere Akzeptanz gefunden, "weil entweder das Risiko zu groß oder der ökonomische Vorteil zu gering ist". Überbetriebliche Modelle sind bis heute nicht umgesetzt. Das stellen der Rostocker Wirtschafts- und Organisationspsychologe Friedemann W. Nerdinger und seine Mitarbeiter in einer von der Hans-Böckler-Stiftung geförderten Literaturstudie fest. Dabei gab es in den vergangenen Jahrzehnten bereits einige Versuche, das Thema auf die politische Tagesordnung zu setzen: Allein für die Jahre 1951 bis 1969 listet die Studie neun Investivlohn-Initiativen aus den Reihen der CDU, SPD und Gewerkschaften auf.

Die diskutierten Modelle basieren auf dem gleichen Grundgedanken: Arbeitnehmer bekommen eine Einkommenskomponente, die nicht konsumiert, sondern gleich wieder investiert wird. So erwerben sie Anteile am Produktivvermögen. Je nach Modell können Teile des Tariflohns umgewandelt werden oder nur zusätzliche, "on top" gewährte Gewinnausschüttungen. Wirtschaftsverbände bevorzugen die erste Variante, "eine Variabilisierung bestehender Entgeldkomponenten", Gewerkschaften die zweite. Während einige Konzepte vorsehen, dass das Geld nur im eigenen Unternehmen investiert werden soll, favorisieren andere betriebsübergreifende Konstruktionen wie (Branchen-)Fonds.

In dieser Frage unterscheiden sich die aktuellen Konzepte von CDU und SPD. Die CDU präferiert betriebliche Lösungen, also direkte Beteiligung am Unternehmen. Ihr Ansatz betont die Identifikation der Beschäftigten mit ihrem Unternehmen und zielt damit auf die Motivation der Mitarbeiter, so Nerdinger. Der SPD-Vorschlag, einen "Deutschland-Fonds" einzurichten, verfolge dagegen in erster Linie das Ziel, das Anlagerisiko durch breite Streuung zu verringern. Gemeinsam sei beiden Konzeptionen, dass sie auf Freiwilligkeit setzen und nur zusätzlich zum tarifvertraglichen Entgelt gewährte Zahlungen in eine Beteiligung umgewandelt werden sollen.

Schätzungen zufolge sind derzeit etwa drei Prozent der Arbeitnehmer am Kapital ihres Arbeitgebers beteiligt. Diese Beteiligungen speisen sich in der Regel aus übertariflichen Leistungen größerer Kapitalgesellschaften. Häufiger sind reine Gewinnbeteiligungen, die nicht zwangsläufig wieder ins Unternehmen investiert werden müssen. Solche Zuwendungen bekommen neun Prozent der Arbeitnehmer in Deutschland. 

Materielle und immaterielle Beteiligung sollten Hand in Hand gehen

Zahlreiche ökonomische Studien haben die betriebswirtschaftlichen Konsequenzen von Investivlöhnen und anderen Formen finanzieller Mitarbeiterbeteiligung untersucht. Die Mehrheit der Studien für Europa und die USA fand Nerdinger zufolge einen positiven Zusammenhang zwischen finanzieller Mitarbeiterbeteiligung und Produktivität. Das gilt für Deutschland allerdings nur in abgeschwächter Form. Hier ermittelten einige Arbeiten lediglich kleine Differenzen zwischen Unternehmen mit und ohne Beteiligungssystemen, andere kamen zu keinem signifikanten Ergebnis. Mehrere Autoren stellen zudem die Frage nach Ursache und Wirkung, also ob Betriebe mit Beteiligungsmodellen produktiver sind oder ob ohnehin produktive Betriebe eher Beteiligungsprogramme einführen.

Nerdinger und seine Mitarbeiter folgern aus den differenzierten Ergebnissen: Finanzielle Beteiligung der Arbeitnehmer führt keineswegs automatisch zu leistungsfähigeren Unternehmen. Weitere Faktoren müssen dazukommen, zum Beispiel mehr Mitspracherechte. Die Produktivität würde sich demnach erst erhöhen, "wenn gleichzeitig mehr Partizipationsmöglichkeiten durch die Mitarbeiter im Unternehmen erlebt werden".

Die Rostocker Wissenschaftler resümieren: Die Mitarbeiterbeteiligung insgesamt - materielle und immaterielle - sollte als Einheit gesehen werden. Finanzielle Beteiligung sei kein Ersatz für Mitspracherechte. Im Gegenteil: Forschungsergebnisse belegen, dass "die Attraktivität des finanziellen Beteiligungssystems dann besonders hoch ist, wenn es in eine fortschrittliche immaterielle Beteiligungskultur eingebettet ist". Beteiligung setze Transparenz und eine solide Vertrauensbasis voraus. Dies sei gerade für kleine und mittlere Unternehmen eine besondere Herausforderung.

  • Finanziell am unternehmerischen Risiko beteiligt ist nur eine Minderheit der Beschäftigten. Zur Grafik

Stefan Stracke, Erko Martins, Birgit K. Peters, Friedemann W. Nerdinger: Mitarbeiterbeteiligung und Investivlohn. Eine Literaturstudie, Universität Rostock, Lehrstuhl für Wirtschafts- und Organisationspsychologie, Juli 2007.

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