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HBS Böckler Impuls

Arbeitsmarkt: Im Osten 200.000 Ein-Euro-Jobs

Ausgabe 05/2007

In Ostdeutschland arbeiten mehr Menschen in Ein-Euro-Jobs als im Westen - nicht nur im Verhältnis zur Zahl der regulär Beschäftigten. Viele von ihnen wären eigentlich für den ersten Arbeitsmarkt geeignet. Aber da fehlen die Stellen.

Fast 207.000 Ein-Euro-Jobs gab es nach Hochrechnungen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) Ende 2005 in Ostdeutschland - 32.000 mehr als im Westen. Dabei arbeitet weniger als ein Fünftel aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in den neuen Bundesländern.

Gemessen an der Zahl der regulär Beschäftigten waren  hier doppelt so viele Zusatzjobber im Sozialbereich tätig. Noch größer waren die Unterschiede in der öffentlichen Verwaltung: Während in den alten Ländern auf 100 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte zwei Ein-Euro-Jobber kamen, waren es in Ostdeutschland zwölf.

Das IAB hat nicht nur die Ein-Euro-Stellen in Ost und West gezählt, sondern auch die Beschäftigtenstruktur untersucht - und ebenfalls bemerkenswerte Unterschiede festgestellt. Gerade in Ostdeutschland sind keineswegs bloß die Problemgruppen des Arbeitsmarkts in Zusatzjobs zu finden. Das lässt sich an persönlichen Merkmalen von Ein-Euro-Jobbern sowie den Einschätzungen der Einsatzbetriebe ablesen. Die Daten wurden im vierten Quartal 2005 erhoben.

Qualifikation: In den neuen Bundesländern verfügten mehr Ein-Euro-Jobber über eine Berufs- oder Hochschulausbildung, nämlich 71 Prozent. In den alten Ländern waren nur 29 Prozent ausgebildet. Aus Sicht der Betriebe, die Zusatzjobber beschäftigen, waren in Ostdeutschland 67 Prozent passend und 12 Prozent überqualifiziert. Betriebe im Westen stuften hingegen rund die Hälfte als unterqualifiziert ein. Überqualifiziert waren hier lediglich 2 Prozent.

Arbeitsmotivation: Im Osten sind deutlich mehr Betriebe mit dem Engagement der Ein-Euro-Jobber zufrieden. Die Betriebe in den neuen Ländern schätzten 34 Prozent als hoch motiviert und nur 7 Prozent als gering motiviert ein. In Westdeutschland lag der Anteil der hoch Motivierten 13 Prozentpunkte niedriger, die Quote der wenig Engagierten war dagegen mehr als doppelt so hoch.

Eignung für den ersten Arbeitsmarkt: Die Mehrheit der ostdeutschen Ein-Euro-Jobber ist zumindest aus Qualifikationsgründen nicht auf ein Förderprogramm angewiesen. Nur 14 Prozent von ihnen wurden von ihren Arbeitgebern als "ungeeignet für ein reguläres Beschäftigungsverhältnis in einer ähnlichen oder anderen Tätigkeit" eingestuft. Zusatzjobber im Westen sind im Durchschnitt weniger fit für den ersten Arbeitsmarkt: 42 Prozent von ihnen wären aus Sicht der Einsatzbetriebe ungeeignet für einen normalen Job. Selbst mit ungelernten Ein-Euro-Jobbern sind Arbeitgeber im Osten zufriedener als im Westen: Lediglich 23 Prozent von ihnen sind der IAB-Befragung zufolge nicht geeignet. Im Westen gilt das für 56 Prozent der ungelernten Zusatzjobber.

Während sowohl Ost- als auch Westbetriebe  vormals Arbeitslosen unter 25 Jahren die schlechtesten Chancen zusprechen, zeigen sich große Differenzen bei der Beurteilung Älterer: In Ostdeutschland hielten die Betriebe 70 Prozent der 40- bis 49-Jährigen für geeignet, von den über 50-Jährigen sogar 85 Prozent. Westdeutsche Zusatzjobber kamen nur auf Werte von 25 beziehungsweise 52 Prozent.

Weil Ein-Euro-Jobs wenig zielgruppenspezifisch vergeben werden, ließen sich diese Ergebnisse durchaus auf die Gesamtheit der Langzeitarbeitslosen übertragen, schreiben die Forscherinnen. In Ostdeutschland ist "für einen deutlich höheren Anteil von arbeitslosen ALG-II-Empfängern - zumindest theoretisch - der Weg in den ersten Arbeitsmarkt offen" als im Westen, so das IAB. Praktisch fehlen jedoch die Jobs.

Das große Interesse der ostdeutschen Arbeitslosen an den Ein-Euro-Stellen erklärt das IAB vor allem mit der höheren Arbeitslosenquote in den neuen Bundesländern - 2005 lag sie bei 20,6 Prozent. Die starke Nachfrage der - oft öffentlich finanzierten oder bezuschussten - Betriebe führen die Forscher unter anderem auf die in Ostdeutschland besonders klammen öffentlichen Haushalte zurück. So lagen die von den Kommunen gezahlten sozialen Leistungen je Einwohner 2003 mit 314 Euro um 100 Euro unter dem Westniveau. Das IAB mutmaßt, dass die Arbeitsvermittler die Situation in ostdeutschen Kindertagesstätten, Wohnheimen und anderen Einrichtungen in finanzieller Bedrängnis gut kennen und gezielt mit Ein-Euro-Jobbern aushelfen.

  • Die große Mehrheit der ein-Euro-Jobber bringt die nötigen Fertigkeiten für den Arbeitsmarkt mit. Zur Grafik

Anja Kettner, Martina Rebien: Soziale Arbeitsgelegenheiten, Einsatz und Wirkungsweise aus betrieblicher und arbeitsmarktpolitischer Perspektive,
IAB-Forschungsbericht Nr. 2, Januar 2007
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