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Frauen schlechter beurteilt Böckler Impuls

Arbeitswelt: Frauen schlechter beurteilt

Ausgabe 13/2023

Beförderungen hängen im öffentlichen Dienst von Beurteilungen ab. Eine Studie am Beispiel der Polizei kommt zu dem Ergebnis: Frauen bekommen häufig schlechtere Noten als Männer.

Regelmäßige Beurteilungen sind bei Beamtinnen und Beamten, etwa im Polizeidienst, gang und gäbe. Dabei gut abzuschneiden ist wichtig für den beruflichen Aufstieg. Die besten Noten und damit die Führungspositionen gehen jedoch auffällig oft an Männer, obwohl es keine Hinweise darauf gibt, dass sie ihren Job besser machen als die Frauen. Das war das Ergebnis einer 2013 erschienenen Studie der Sozialwissenschaftlerin Andrea Jochmann-Döll, die seinerzeit Beurteilungen im Polizeidienst untersucht hatte. Ein Jahrzehnt später hat sie, wie schon damals gefördert von der Hans-Böckler-Stiftung, die Untersuchung wiederholt. Ergebnis: Es gibt „sowohl positive als auch ernüchternde Entwicklungen“. Noch immer bekommen Frauen – und Teilzeitbeschäftigte generell – in der Mehrzahl der Landespolizeien seltener Bestnoten als Männer in Vollzeit. Es gibt aber Organisationen, zum Beispiel die Bundespolizei, die zumindest gewisse Fortschritte gemacht haben.

Woran das liegt? Nach der Analyse der Forscherin, die zahlreiche Interviews mit Vertreterinnen und Vertretern verschiedener Polizeibehörden geführt hat, gibt es kein Patentrezept. Fortschritte seien „durch eine Kombination vielfältiger Maßnahmen erzielt“ worden. Von zentraler Bedeutung sei etwa die Sensibilisierung der Führungskräfte beziehungsweise Beurteilenden für mögliche geschlechterbezogene Verzerrungen und Diskriminierungspotenziale. Bei der Bundespolizei seien dazu unter anderem Erkenntnisse aus der Vorgängerstudie genutzt worden. Als besonders wirkungsvolles Ins­trument bezeichnet Jochmann-Döll „die geschlechter- und arbeitszeitbezogene Auswertung und bedingungslose Transparenz der Beurteilungsergebnisse einer jeden Beurteilungsrunde sowie die Formulierung diesbezüglicher Ziele einschließlich ihres Controllings“. So könne ein umfassender Kommunikationsprozess in Gang kommen, „zu dem alle Beteiligten eingeladen sind und der Reflexionen und kulturelle Veränderungen ermöglicht“. Notwendig seien weiterhin Rahmenbedingungen wie eine kontinuierliche und selbstverständliche Gleichstellungsarbeit in der Behörde, etwa in Form von Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

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Rheinland-Pfalz: „Deutlich unausgewogen“

Die Wissenschaftlerin hat für alle Polizeibehörden, die die nötigen Daten geliefert haben, untersucht, wie häufig Frauen und Männer besonders gute Bewertungen bekommen. Dafür ist es unerheblich, dass sich die genauen Bewertungsverfahren von Bundesland zu Bundesland unterscheiden. Es wird deutlich, dass „in beinahe allen Bundesländern und Polizeibereichen“ Polizisten öfter die besten oder die beiden besten Noten bekommen als Polizistinnen. Ausnahmen sind das Bundeskriminalamt, Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen sowie, bei Betrachtung der beiden Bestnoten, Berlin. Allerdings sind die Unterschiede in manchen Bundesländern so gering, „dass die Beurteilungsergebnisse als ausgewogen bezeichnet werden können“, so Jochmann-Döll. Auf dem letzten Platz, mit dem Attribut „deutlich unausgewogen“ versehen, liegt die Polizei von Rheinland-Pfalz. 

Eine deutliche Unwucht zeigt sich auch beim Vergleich von Teilzeitbeschäftigten mit Vollzeitbeschäftigten. Unabhängig vom Geschlecht erhalten Teilzeitkräfte seltener Bestnoten. Weitere Unterscheidungen, etwa nach mittlerem oder gehobenem Dienst, Kriminal- oder Schutzpolizei, führen zwar zu differenzierteren Ergebnissen – in Einzelbereichen liegen auch mal die Frauen vorn –, dies ändert aber nichts an der insgesamt zu beobachtenden Diskriminierung von Frauen und Teilzeitkräften, betont die Wissenschaftlerin. 

Damit bleibt reichlich zu tun. Unter anderem für die Gleichstellungsbeauftragten, die das Thema auf allen Ebenen in die Organisation hineintrügen und deren Akzeptanz in den letzten Jahren gewachsen sei, wie eine Interviewte sagte.

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Antidiskriminierung ist auch ein Thema auf der LABOR.A 2023 am 27.9. in Berlin – und im Netz. Etwa in einer Session um 12 Uhr mit Stefan Hank von der Antidiskriminierungsstelle des Bundes. Zur Anmeldung.

Andrea Jochmann-Döll: Beurteilungen im Polizeidienst – revisited, Working Paper der HBS-Forschungsförderung Nr. 298, Juli 2023; 

Andrea Jochmann-Döll, Karin Tondorf: Nach Leistung, Eignung und Befähigung? – Beurteilung von Frauen und Männern im Polizeivollzugsdienst, 2013

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