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EU-Mindestlohnrichtlinie hat im Kern Bestand Böckler Impuls

Europa: EU-Mindestlohnrichtlinie hat im Kern Bestand

Ausgabe 18/2025

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat eine Klage gegen die EU-Mindestlohnrichtlinie in zentralen Punkten abgewiesen. Sowohl der wichtige Referenzwert als auch Regelungen zur Stärkung der Tarifbindung sind rechtskonform.

Geklagt gegen das 2022 beschlossene Regelwerk hatte Dänemark, unterstützt von Schweden. Die Begründung: Die EU habe mit den arbeitsmarktpolitischen Vorgaben ihre Kompetenz überschritten. Dänemark hatte deswegen gefordert, die Richtlinie komplett aufzuheben. Der EuGH hat dies am 11. November überwiegend zurückgewiesen. Mit seinem Urteil hat der Gerichtshof laut HSI-Direktor Ernesto Klengel klargestellt, dass die soziale Dimension zur „DNA der europäischen Rechtsordnung“ gehört. „Ein gemeinsamer Binnenmarkt, wie er in der EU besteht, bedarf sozialer Mindeststandards, wenn er keinen Wettbewerb um die niedrigsten Arbeitsstandards entfachen soll. Dazu gehören auch Bestimmungen aus der Mindestlohnrichtlinie.“

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Infografik: Die nationalen gesetzlichen Mindestlöhne in der EU reichen von 3,32 Euro in Bulgarien bis 15,25 Euro in Luxemburg.
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Der EuGH hat in seiner Entscheidung allerdings einige konkrete Regelungen in Artikel 5 der Richtlinie aufgehoben, mit denen den Mitgliedsstaaten vorgegeben wurde, welche Kriterien sie zur Festlegung des Mindestlohns berücksichtigen müssen. Durchaus bedauerlich, so Klengel, denn einheitliche Kriterien seien sinnvoll. Zudem habe der Gerichtshof die Verpflichtungen, die sich aus der Richtlinie ergeben, eher zurückhaltend interpretiert. Bestand habe insbesondere die Vorschrift, dass ein Referenzwert zur Beurteilung des Mindestlohns zur Anwendung kommen muss. In Deutschland sind das 60 Prozent des Medianlohns der Vollzeitbeschäftigten.
 
„Wir haben jetzt Klarheit – und die Gegner der Richtlinie haben ein Argument weniger, bei der Umsetzung auf die Bremse zu treten“, erklärt Malte Lübker, Mindestlohnexperte am WSI. „Wichtig für Deutschland: Der EuGH hat keinerlei Einwände gegen den Referenzwert für einen angemessenen Mindestlohn erhoben. Der Gesetzgeber sollte diesen jetzt auch im Mindestlohngesetz verankern.“

WSI-Direktorin Bettina Kohlrausch hebt hervor, dass sämtliche Regelungen zur Stärkung der Tarifbindung weiterhin gelten – das zweite zentrale Ziel der Mindestlohnrichtlinie. „Tarifverträge sind eine Säule für gute Arbeitsbedingungen in ganz Europa. Auch die Bundesregierung muss jetzt zügig handeln und einen Aktionsplan mit konkreten Maßnahmen vorlegen, um die Tarifbindung in Deutschland wieder in Richtung 80 Prozent zu bringen.“ Der Auftrag an die Politik, Aktionspläne zur Stärkung der Tarifbindung vorzulegen, gilt nach der Richtlinie in allen Mitgliedsstaaten, in denen weniger als 80 Prozent der Beschäftigten von Tarifverträgen profitieren. Deutschland zählt dazu: Im Jahr 2024 arbeitete nur noch knapp die Hälfte in tarifgebundenen Betrieben. Die Bundesregierung hat bislang noch keinen Plan vorgelegt. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat angekündigt, das bis zum 31. Dezember zu tun.

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