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HBS Böckler Impuls

Politik: Demokratie: Vertrauen der Deutschen schwindet bedenklich

Ausgabe 03/2005

Nur noch 28 Prozent der Ostdeutschen und 56 Prozent der Westdeutschen sind zufrieden damit, wie unsere Demokratie funktioniert. Im europäischen Vergleich spricht eine Analyse des Zentrum für Umfragen, Methoden und Analysen (ZUMA) in Mannheim von einer geradezu "dramatischen" Entwicklung.

Jahrelang waren die Deutschen mit ihrer Demokratie zufriedener als die EU-Bürger im Schnitt. Von Herbst 2002 bis Frühjahr 2004 ist ihr Vertrauen in das System aber - gegen den europäischen Trend und quer durch alle Bevölkerungsgruppen - schlagartig abgesackt: um 15 Prozentpunkte im Westen, um 16 im Osten. Mit nur 51 Prozent Zustimmung liegt es nunmehr unter EU-Niveau (siehe Tabelle). Nur 1997, dem letzten Jahr der Kohl-Regierung, waren die Deutschen noch unzufriedener mit dem politischen System als heute.

Auffällig ist, dass es bis 1990 in Westdeutschland eine ziemlich stabile Zufriedenheit mit dem System gab: Mehr als drei Viertel der Bürgerinnen und Bürger waren zwischen 1976 und 1990 jeweils zufrieden oder sogar sehr zufrieden mit ihrer Demokratie. Danach begann ein Abwärtstrend als Zickzackkurs, mit heftigen Ausschlägen.

Jüngere zufriedener

Das insgesamt niedrigere Niveau der Demokratiezufriedenheit in Ostdeutschland ordnet die Analyse angesichts der kürzeren demokratischen Geschichte als "nicht verwunderlich" ein. Der starke Zufriedenheitsverlust jetzt sei aber selbst im Vergleich mit den mittel- und osteuropäischen EU-Neumitgliedern und -Kandidaten auffällig. Nur die Slowakei (20 %), Polen (16 %), Bulgarien (19 %) und Rumänien (18 %) bringen an diesem Punkt noch weniger Zufriedene zusammen. Entgegen mancher Befürchtungen sind in Ostdeutschland aber die Jüngeren (16- bis 34-Jährige) deutlich zufriedener (43 %) mit der Demokratie als die Älteren (32 %).

Tagespolitik nicht ausschlaggebend

Demokratiezufriedenheit wird normalerweise wenig von der Tagespolitik beeinflusst. Erst wenn Bürger länger mit Politikern und Parteien unzufrieden sind, glauben sie, dass auch durch Wahlen nichts zu verbessern ist.
In den westeuropäischen Ländern haben bei der Einschätzung politische Gründe ein deutlich stärkeres Gewicht - Vertrauen in die politischen Institutionen sowie Polizei und Justiz. In Mittel- und Osteuropa dagegen spielen für die Demokratiezufriedenheit wirtschaftliche Erwartungen eine wichtigere Rolle, und vor allem auch: die persönliche wirtschaftliche Perspektive. Der innerdeutsche Vergleich entspricht diesem europäischen Bild. Die Ostdeutschen haben bei den Bewertungen stark die persönliche wirtschaftliche Lage im Blick, im Westen haben politische Faktoren ein größeres Gewicht. Für ganz Deutschland macht die ZUMA-Analyse aber einen "ausgeprägten wirtschaftlichen Pessimismus der Bevölkerung" als eine Ursache der Verdrossenheit aus.

  • Nur noch 28 Prozent der Ostdeutschen und 56 Prozent der Westdeutschen sind zufrieden damit, wie unsere Demokratie funktioniert. Im europäischen Vergleich spricht eine Analyse des Zentrum für Umfragen, Methoden und Analysen in Mannheim von einer geradezu „dramatischen“ Entwicklung. Zur Grafik

Angelika Scheuer: Demokratiezufriedenheit in Deutschland sinkt unter EU-Niveau.
In: Informationsdienst Soziale Indikatoren (ISI) 33, 1/2005

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