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HBS Böckler Impuls

Gesundheitsfonds: Chance zur Integration der Privaten

Ausgabe 04/2009

Der Gesundheitsfonds ist keine Ideallösung. Dennoch kann er als Ausgangsbasis für eine gerechtere und zukunftstaugliche Finanzierung des Gesundheitswesens dienen.

Die Umleitung der Beitragsströme in den neuen gemeinsamen Topf der gesetzlichen Krankenkassen konnte den Anstieg der Gesundheitskosten nicht bremsen. Aber sie ist auch nicht schuld an den höheren Beiträgen. "Die Fondskonstruktion führte lediglich dazu, dass Beitragssatzsteigerungen zu einem bestimmten Zeitpunkt gebündelt offenbar wurden", erklärt WSI-Forscherin Simone Leiber. Die Wissenschaftlerin hat Vorschläge entwickelt, wie der Gesundheitsfonds weiterentwickelt werden könnte.

Gesetzliche und private Krankenversicherung integrieren: Gesundheitsfonds als Hebel. Die Beiträge der Versicherten sind inzwischen von den Zahlungen an die einzelnen Krankenkassen entkoppelt. Deshalb sei es in Zukunft leichter, Mitglieder privater Kassen in das einkommensabhängige System einzubeziehen, schreibt die Wissenschaftlerin. Diese würden dann ebenfalls in den Fonds einzahlen. Die privaten Versicherungen würden am Risikostrukturausgleich teilnehmen und bekämen, so wie die gesetzlichen, für jedes Mitglied einen  Pauschalbeitrag aus dem Fonds. Leistungen, die über das Angebot der gesetzlichen Krankenkassen hinausgehen, müssten privat Versicherte extra bezahlen. "Die Dualität der beiden Systeme würde damit zunächst noch nicht vollständig abgeschafft, aber deutlich abgemildert", so Leiber.

Mehr Steuerfinanzierung. Die gesetzliche Krankenversicherung leidet Leiber zufolge an einer "strukturellen Einnahmeschwäche". Denn die Beitragspflicht beschränkt sich auf Löhne und Gehälter der Versicherten. Kapital- und Mieteinkünfte sowie die Einkommen privat Versicherter werden bisher nur indirekt und in recht geringem Umfang herangezogen - durch den Steuerzuschuss zum Gesundheitsfonds. Dank Konjunkturpaket wird der ursprünglich erst für 2016 angestrebte Wert von jährlich 14 Millionen Euro nun voraussichtlich schon 2012 erreicht. Die Wissenschaftlerin sieht darin immerhin "eine gewisse Trendwende". Auf längere Sicht sollten die meisten versicherungsfremden Leistungen aus Steuermitteln bestritten werden, rät sie.

Ein weiterer Ausbau der Steuerfinanzierung sei mit weniger Bürokratie verbunden als einige Bürgerversicherungsmodelle, die separate Beiträge auf Kapitaleinkommen vorsehen, sagt die Wissenschaftlerin. Da der Gesundheitsfonds die Zahlungsströme trans­parenter gemacht habe, sei auch mit einer höheren Akzeptanz von Steuerzuschüssen aufseiten der Politiker zu rechnen.

Lediglich in einem Punkt wendet Leiber sich gegen eine Umfinanzierung versicherungsfremder Leistungen: Die beitragsfreie Mitversicherung von Ehepartnern sollte künftig nicht aus dem Steuertopf bezahlt, sondern abgeschafft werden. Denn dieses Konstrukt fördere das "weibliche Zuverdienerinnen-Modell" - beispielsweise arbeitet der Mann sozialversicherungpflichtig und die mitversicherte Frau hat einen Minijob. Für Menschen, die ihre Lebensplanung bereits weitgehend auf das alte System zugeschnitten haben, sollte es Übergangslösungen geben, wenn die Möglichkeit der beitragsfreien Mitversicherung entfällt.

Zusatzbeiträge und Überforderungsklausel abschaffen. Hauptdefizit des Fonds sind die neu eingeführten Zusatzbeiträge, die finanzschwache Krankenkassen bei ihren Versicherten bis zu einer bestimmten, individuellen Obergrenze erheben dürfen. Sie wirken wettbewerbsverzerrend und "Bürokratie erzeugend", so die Forscherin. Sie empfiehlt, wieder zu einer rein einkommensabhängigen Finanzierung der Krankenkassen ohne Einheits-Beitragssatz zurückzukehren.
Leiber bezweifelt, dass ein Wettbewerb um die Vermeidung eines Zusatzbeitrags die Krankenkassen zu mehr Effizienz und stärker differenzierten Versorgungsangeboten ermuntern werde. Denn es sei nicht zu erwarten, dass die Bereitschaft der Versicherten zum Kassenwechsel steige - nur weil die Preisunterschiede nun in absoluten Euro-Beträgen und nicht mehr in Beitragsprozentpunkten zutage treten.

International vergleichende Studien zeigen, dass die "Wechselintensität" in Deutschland schon in der Vergangenheit relativ hoch war. Zudem waren für viele Wechsler auch Unterschiede im Versorgungsangebot ausschlaggebend und nicht allein die Höhe der Beiträge. Doch mit den aktuellen Regeln könnten wichtige Leistungen und Gesundheitsinvestitionen unter die Räder kommen, befürchtet die Forscherin. So dürften die Krankenkassen ihre Ausgaben kürzen, damit sie gar nicht erst gezwungen sind, Zusatzbeiträge zu erheben. Die Wettbewerbsanreize sollten  stattdessen so gesetzt werden, dass die Krankenkassen um die beste Qualität wetteifern. Dies könne durch eine Verfeinerung des Risikostrukturausgleichs, Förderung von Präventionsprogrammen, Ausbau der integrierten Versorgung und mehr Verhandlungsfreiheit der Kassen gegenüber Ärzten und Apotheken geschehen. 

  • Der Gesundheitsfonds ist keine Ideallösung. Dennoch kann er als Ausgangsbasis für eine gerechtere und zukunftstaugliche Finanzierung des Gesundheitswesens dienen. Zur Grafik

Simone Leiber: Die Stärken nutzen: Vorschläge zur Weiterentwicklung des Gesundheitsfonds, in: WSI-Mitteilungen 3/2009

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