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Betriebsräte gestalten die Zukunft Böckler Impuls

Coronakrise: Betriebsräte gestalten die Zukunft

Ausgabe 02/2022

Die Pandemie hat die Arbeitswelt verändert. Dass die Umwälzungen nicht einseitig zulasten der Beschäftigten gingen, ist häufig dem Einsatz von Betriebs- und Personalräten zu verdanken.

Abstand halten, Maske tragen, von zu Hause arbeiten, Teambesprechung per Videokonferenz: All das ist längst Routine. Noch vor zwei Jahren hätten sich die meisten Beschäftigten – und Arbeitgeber – jedoch nicht vorstellen können, so zu arbeiten wie heute. Das Tempo des Wandels hat die Pandemie vorgegeben, die konkrete Umsetzung der Maßnahmen erfolgte in mitbestimmten Betrieben oft im Zusammenspiel von Geschäftsführung und Interessenvertretung der Belegschaft. „Mithilfe vieler engagierter Mitglieder von Betriebs- und Personalräten wurden gute und agile Betriebs- und Dienstvereinbarungen auf den Weg gebracht“, so I.M.U.-Direktor Daniel Hay. Die Vereinbarungen hätten „oftmals das Bestmögliche für eine beschäftigtenfreundliche Flexibilisierung der Arbeit erreicht“, schreibt der Mitbestimmungsexperte. 

Der I.M.U.-Report nennt zahlreiche Beispiele. Dabei geht es nicht nur um kurzfristige Maßnahmen zum Arbeits- und Gesundheitsschutz. Vielfach handelt es sich um Reorganisationsprozesse, die teilweise schon vor der Pandemie begonnen haben und in den meisten Fällen auch danach Bestand haben werden. Das gilt insbesondere für die Themen zeit- und ortsflexibles Arbeiten sowie Digitalisierung. So hat sich das Homeoffice inzwischen so weit etabliert, dass manche Unternehmen bereits mit dem Umbau der Büroflächen begonnen haben. Bei der Telekom etwa auf der Basis einer Betriebsvereinbarung zu mobiler Arbeit und Desksharing – hier gibt es also nicht mehr für alle Beschäftigten feste Büroarbeitsplätze. Der Betriebsrat hat sich dabei unter anderem für hinreichende Möglichkeiten zu sozialem Austausch eingesetzt und Regelungen durchgesetzt, die für genug freie Büros sorgen: Wer nach einer Stunde keinen Platz hat, darf nach Hause gehen und hat seine Pflicht für den Tag erfüllt. In der Praxis ist das nach dem Kenntnisstand des Betriebsrats bisher nicht vorgekommen. Erreicht wurde, dass der Arbeitgeber Verantwortliche benennt und die Beschäftigten somit wissen, an wen sie sich bei Verfügbarkeitsproblemen wenden können.

Außerdem dürfte diese sogenannte Annahmeverzugsregelung dem arbeitgeberseitigen Wunsch nach allzu hohen Sharing-Quoten entgegenwirken.

Bei Siemens gilt eine Vereinbarung zu einer „gelebten Vertrauens- und Führungskultur im Unternehmen“, was unter anderem bedeutet, dass die Arbeitsorganisation permanent gemeinsam von Betriebsrat und Management weiterentwickelt wird. Dabei handelt es sich um ein „Living Document“, dessen Inhalte jeweils zum Quartalsende in „Meilenstein-Gesprächen“ überprüft werden. 

Bei Thyssenkrupp oder dem Maschinenbauer Oerlikon existieren Betriebsvereinbarungen zur in jüngster Zeit rasant beschleunigten Digitalisierung, die etwa Verfahren zur systematischen Erhebung von Qualifizierungsbedar­fen festschreiben. Beschäftigte können bei Thyssenkrupp Qualifizierungscoaches zurate ziehen, um ihre Bedarfe zu bestimmen. Betriebsrat und Ausbildungsleitung haben bei Oerlikon einen Fahrplan für die Digitalisierung der Ausbildung entwickelt. 

Die Beispiele zeigen: „Die Aufgaben von Betriebs- und Personalräten verändern sich spürbar und mit hoher Dynamik. Immer komplexere Fragen müssen beantwortet werden“, sagt I.M.U.-Experte Hay. Die Arbeitswelt der Zukunft müsse gestaltet werden – auch nach der Pandemie.

Videoreihe Kurz & Gut

Daniel Hay, Sandra Mierich, Nils Werner: Mitbestimmung als Konstante in der Pandemie, Mitbestimmungsreport Nr. 69, Dezember 2021

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