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HBS Böckler Impuls

Gesundheit: Arbeitsschutz an Schulen: Oft noch Note mangelhaft

Ausgabe 07/2007

Lehrer werden überdurchschnittlich oft arbeitsunfähig. Mehr Prävention wäre gerade in der Schule wichtig. Doch die meisten Bundesländer setzen Schutzvorschriften nur schleppend um.

Seit kurzem ist es auch regierungsamtlich: Lehrerinnen und Lehrer machen einen oft harten Job. Der aktuelle "Bericht der Bundesregierung über den Stand der Sicherheit bei der Arbeit" weist für Pädagogen höhere Arbeitsunfähigkeitsraten aus als für den Durchschnitt der Beschäftigten - inklusive Arbeitnehmer in der Industrie und auf dem Bau. Als spezifisches Risiko für die Lehrkräfte nennen Forscher Stress. Ausgelöst vor allem durch Lärm, aber auch durch Disziplinprobleme und noch verstärkt durch "organisatorische Defizite". Dazu zählen große Klassen ebenso wie Rektoren, die mit ihren Führungsaufgaben überfordert sind. Folge: Die gut 670.000 Lehrer an allgemeinbildenden Schulen, im Mittel auch noch älter als Angehörige vieler anderer Berufsgruppen, sind überdurchschnittlich anfällig für psychische Leiden.
In der Problemdiagnose urteilen neuere arbeitswissenschaftliche Untersuchungen eindeutig, resümiert Wolfhard Kohte, Juraprofessor an der Universität Halle-Wittenberg: "Sie dokumentieren, dass die Tätigkeit von Lehrern ohne professionelle Organisation und klare Schutzziele gesundheitsgefährdend ist." Doch gerade am Arbeitsplatz Schule gehen beim Arbeitsschutz Anspruch und Wirklichkeit noch weit auseinander. Das zeigt Kohte in einer neuen, von der Hans-Böckler-Stiftung und der Max-Traeger-Stiftung geförderten Studie.

Lehrerinnen und Lehrer werden erst seit 1996 durch ein einheitliches und zeitgerechtes Arbeitsschutzrecht erfasst. An den meisten Schulen lässt sich, wenn überhaupt, eine systematische Umsetzung aber oft erst seit der Jahrtausendwende beobachten, so Kohte. "Erst in den letzten Jahren ist - auch im Zusammenhang mit den PISA-Diskussionen in der Öffentlichkeit - deutlich geworden, dass eine Schule nur eine erfolgreiche Schule sein kann, wenn sie für alle Beteiligten eine gesunde Schule ist."

Zwar gibt es regionale Unterschiede zwischen den Bundesländern. Niedersachsen habe beispielsweise im Vergleich mit Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und Hessen eine relativ weit entwickelte Konzeption für den Arbeitsschutz an Schulen. Als Schrittmacher wirken auch Modellprojekte, an denen sich die Unfallkassen beteiligen. Doch von flächendeckender Prävention sind alle Bundesländer weit entfernt. Das lässt sich schon an der geringen Zahl der Experten ablesen, die Schulen betreuen. In Nordrhein-Westfalen kommen sechs Betriebsärzte und elf Fachkräfte für Arbeitssicherheit auf 6.700 Schulen mit 185.000 Lehrern. In Baden-Württemberg streiten Landesregierung und kommunale Schulträger seit Jahren darum, wer die Sicherheitsfachkräfte bestellen soll.

Sehr häufig seien die Personalvertretungen die treibende Kraft bei der Umsetzung von Arbeitsschutzvorschriften, dokum­entiert Kohte. In Einzelfällen mussten Personalräte gegen ihre Dienstherren klagen. Hingegen sei "in keinem Bundesland festzustellen, dass die Aufsichtsbehörden durch Anordnungen den Vorschriften des an alle adressierten Gesetzes Geltung verschafft hätten"

Entsprechend groß ist der Rückstand vor allem bei den  Gefährdungsbeurteilungen. Das Bundesarbeitsschutzgesetz schreibt seit 1996 vor, jeden Arbeitsplatz auf physische und psychische Belastungen zu prüfen. Gut zehn Jahre später seien systematische Checks - für Experten das Rückgrat jeder Prävention - bundesweit "nur an einer Minderheit der Schulen und Arbeitsplätze erfolgt", hält Kohte fest. Dazu kommt: Das Bundesverwaltungsgericht akzeptiert, im Gegensatz zum Bundesarbeitsgericht, bei Gefährdungsbeurteilungen keine umfassende Mitbestimmung durch die Personalräte.

Trotzdem können die Personalvertretungen aber in allen Bundesländern eigene Gesundheits-Initiativen anstoßen, zeigt die Studie: Im März 2007 ist beispielsweise die neue Lärm- und Vibrations-Arbeitsschutzverordnung in Kraft getreten. Auf Grundlage der neuen Bestimmungen ließe sich das Lärmproblem an Schulen besser angehen, analysiert Kohte - und Personalräte könnten dabei ihr Mitbestimmungsrecht einsetzen. Die Verordnung favorisiert nachhaltig wirksame Lösungen wie Umbauten für eine bessere Raumakustik. Und sie erhöht den Druck, ernst zu machen mit den Gefährdungsbeurteilungen.

  • Wer in Schwerindustrie oder Erzeihungsberufen arbeitet, ist überdurchschnittlich häufig krank. Zur Grafik

Wolfhard Kohte, Ulrich Faber: Arbeits- und Gesundheitsschutz in Schulen. Rechtsgutachten im Auftrag von Hans-Böckler-Stiftung und Max-Traeger-Stiftung, Halle 2007.
Download des Rechtsgutachten

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