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Regionale Unterschiede bis zu 296 Euro im Monat: WSI-Tarifarchiv: Ausbildungsvergütungen zwischen 610 und 1.580 Euro je nach Branche und Ausbildungsjahr

25.07.2018

Die in Tarifverträgen vereinbarten Ausbildungsvergütungen unterscheiden sich je nach Branche und Ausbildungsjahr sehr stark. Die Spannbreite reicht von 610 Euro im Kfz-Handwerk Thüringen im 1. Ausbildungsjahr bis zu 1.580 Euro im westdeutschen Bauhauptgewerbe im 4. Ausbildungsjahr . Zudem gibt es in vielen Branchen auch eine erhebliche regionale Differenzierung. Dies geht aus einer aktuellen Auswertung von 16 ausgewählten Tarifbranchen hervor, die das Tarifarchiv des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung kurz vor Beginn des neuen Ausbildungsjahres 2018 vorlegt.

Auch für Auszubildende spielt es eine große Rolle, ob ihr Betrieb nach Tarif zahlt, oder nicht. Denn für sie gilt der gesetzliche Mindestlohn nicht. Nach dem Berufsbildungsgesetz haben sie zwar ein Anrecht auf eine „angemessene Vergütung“. Nach der gültigen Rechtsprechung soll sich letztere an den Tarifverträgen orientieren und darf das tarifliche Niveau nicht um mehr als 20 Prozent unterschreiten. „In der wachsenden Anzahl nicht-tarifgebundener Betriebe“, so der Leiter des WSI-Tarifarchivs Prof. Dr. Thorsten Schulten, „werden jedoch häufig deutlich niedrigere Vergütungen gezahlt, da die Angemessenheit eines bestimmten Vergütungsniveaus kaum transparent ist. Deshalb ist neben einer generellen Stärkung der Tarifbindung die im Koalitionsvertrag vereinbarte Einführung einer gesetzlichen Mindestausbildungsvergütung sinnvoll, um Missbrauch bei Betrieben, die außerhalb des Tarifvertragssystems stehen, vorzubeugen.“

Bei der Höhe der tariflichen Ausbildungsvergütungen lassen sich für das erste Ausbildungsjahr drei Gruppen unterscheiden. Die höchsten Ausbildungsvergütungen mit monatlichen Beträgen zwischen 900 und 1.000 Euro finden sich im Bank- und Versicherungsgewerbe, im öffentlichen Dienst, in der chemischen Industrie, in der Druckindustrie und bei der Deutschen Bahn AG. Der absolute Spitzenreiter ist jedoch die Metall- und Elektroindustrie, die als einzige Branche bereits im ersten Ausbildungsjahr in den meisten Regionen mehr als 1.000 Euro zahlt.

Eine zweite Gruppe mit Ausbildungsvergütungen zwischen 700 und 900 Euro umfasst die Textilindustrie, das Bauhauptgewerbe, den Einzelhandel, die Holz- und Kunststoffverarbeitende Industrie und die Süßwarenindustrie sowie in Westdeutschland das Private Verkehrsgewerbe, das Gebäudereinigerhandwerk, das Hotel- und Gaststättengewerbe und das KFZ-Handwerk. In der Gruppe mit den niedrigsten Ausbildungsvergütungen mit Beträgen von weniger als 700 Euro finden sich ausschließlich ostdeutsche Tarifbereiche. Das Schlusslicht in den hier untersuchten Branchen bildet mit einer Vergütung von 610 Euro das KfZ-Handwerk in Thüringen.

Ähnlich große Unterschiede zeigen sich auch in den weiteren Ausbildungsjahren. Im dritten Ausbildungsjahr variieren die Ausbildungsvergütungen zwischen 1.475 Euro im westdeutschen Bauhauptgewerbe und 710 Euro im Kfz-Handwerk in Thüringen. Die aktuellen Ausbildungsvergütungen zeigen damit ähnlich große Differenzierungen wie die Tariflöhne.

Bundeseinheitliche Tarifreglungen zu den Ausbildungsvergütungen gibt es nur in wenigen Branchen, wie z. B. bei Banken und Versicherungen, dem Öffentlichen Dienst, der Druckindustrie oder der Deutschen Bahn. Alle anderen Tarifbereiche weisen zum Teil beträchtliche regionale Unterschiede auf, wobei neben einem West-Ost- mitunter auch ein Süd-Nord-Gefälle zu beobachten ist.

Legt man das 3. Ausbildungsjahr zugrunde, zeigen sich folgende regionale Differenzen bei den monatlichen Ausbildungsvergütungen:

  • In der chemischen Industrie können die Abstände im 3. Ausbildungsjahr bis zu 89 Euro betragen: Im Osten beträgt die Ausbildungsvergütung 1.030 Euro, im Westen reicht sie von 1.028 Euro in Schleswig-Holstein und Bremen bis zu 1.117 Euro im Bezirk Nordrhein.
  • In der Metall- und Elektroindustrie betragen die regionalen Unterschiede bis zu 97 Euro: Die tariflichen Ausbildungsvergütungen reichen von 1.102 Euro in Nordrhein-Westfalen bis zu 1.199 Euro in Baden-Württemberg.
  • In der Süßwarenindustrie verdienen Auszubildende in Rheinland-Pfalz 964 Euro regional unterschiedlich zu Berlin-West mit 1.119 Euro, was einer Differenz von 155 Euro entspricht.
  • Im Einzelhandel können die Ausbildungsvergütungen bis zu 210 Euro variieren: Sie bewegen sich zwischen 810 Euro in Mecklenburg-Vorpommern und 1020 Euro in Hamburg.
  • In der Textilindustrie reichen die Ausbildungsvergütungen von 845 Euro im Osten bis zu 1.063 Euro in Hessen, was einer Differenz von 218 Euro entspricht.
  • Im Hotel- und Gaststättengewerbe liegen die regionalen Abstände bei insgesamt 250 Euro: In Sachsen-Anhalt gibt es 750 Euro, in Hessen dagegen 1.000 Euro.
  • Bei den gewerblichen Auszubildenden im Bauhauptgewerbe liegen die Unterschiede bei bis zu 285 Euro mit 1.475 Euro im Westen und 1.190 Euro im Osten.
  • Am größten sind die regionalen Unterschiede mit 296 Euro im Kfz-Handwerk, wo in Baden-Württemberg 956 Euro und in Brandenburg 660 Euro gezahlt werden.

Das WSI-Tarifarchiv der Hans-Böckler-Stiftung bietet zu den Ausbildungsvergütungen einen Online-Service an: Für 27 Wirtschaftszweige und Tarifbereiche können die tariflichen Ausbildungsvergütungen gegliedert nach Ausbildungsjahren abgerufen werden. Dabei werden auch die Unterschiede nach Bundesländern und Regionen sowie zwischen gewerblichen und kaufmännischen Auszubildenden aufgezeigt. Der Service ist kostenlos, die Daten werden ständig aktualisiert.

Kontakt:

Prof. Dr. Thorsten Schulten
Leiter WSI-Tarifarchiv

Rainer Jung
Leiter Pressestelle

Die Pressemitteilung mit Grafik und Tabellen (PDF)

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