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HBS Böckler Impuls

Demokratie: Unsichere Berufsperspektiven nutzen Rechten

Ausgabe 13/2019

Sorgen um die berufliche Zukunft reichen in Ostdeutschland deutlich weiter als im Westen.Das schlägt sich auch in Wahlergebnissen nieder.

Rechtspopulisten profitieren von Verunsicherung und Zukunftssorgen in der Gesellschaft. Dabei spielen das Gefühl mangelnder Anerkennung oder das Thema Migration eine Rolle und vor allem konkrete ökonomische Unsicherheit. Diese Unsicherheit ist bei den Menschen in Ostdeutschland verbreiteter als in Westdeutschland, zeigt eine aktuelle Analyse von Bettina Kohlrausch, Soziologin an der Universität Paderborn. Die Auswertung beruht auf einer repräsentativen Befragung zu „sozialen Lebenslagen“, für die im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung zwischen 2017 und Anfang 2019 in mehreren Wellen 4892 Wahlberechtigte in Deutschland interviewt wurden.


Während sich im Westen vor allem un- und angelernte Beschäftigte große Sorgen um ihre berufliche und soziale Zukunft machen – und zugleich überdurchschnittlich häufig rechte Parteien wählen –, trifft das in den neuen Bundesländern auch auf Berufsgruppen mit mittlerem Status wie Facharbeiter oder Angestellte mit mittlerem Bildungsabschluss zu. Beispielsweise machen sich 11,9 Prozent der Facharbeiter im Osten große Sorgen um ihre Arbeitsplatzsituation, aber nur 6,2 Prozent der Facharbeiter im Westen. „Das Aufstiegs- und Sicherheitsversprechen der alten Bundesrepublik ist im Osten auch 30 Jahre nach dem Mauerfall in der Mitte der Gesellschaft nicht angekommen”, sagt Kohlrausch. Vor diesem Hintergrund sei es problematisch, dass Instrumente und Regeln, die im Arbeitsleben für bessere Bedingungen sorgen, im Osten weitaus weniger verbreitet sind. So werden beispielsweise in Sachsen nur 39 und in Brandenburg lediglich 45 Prozent der Beschäftigten nach einem Tarifvertrag bezahlt. Im Mittel der westdeutschen Bundesländer sind es dagegen 57 Prozent.


Dass Sorgen um die berufliche Zukunft einhergehen mit einer erhöhten Neigung, Rechtspopulisten zu wählen, zeigt die Forscherin am Beispiel der Aussage: „Ich habe berufliche Chancen in Europa und der ganzen Welt.“ Dem stimmten in der Befragung ostdeutsche Beschäftigte deutlich seltener zu als westdeutsche mit gleicher Qualifikation. Und wer keine Chancen für sich sah, wählte im Osten bei der vergangenen Bundestagswahl deutlich häufiger AfD als ein Wahlberechtigter, der zustimmte. Dabei waren mögliche Unterschiede aufgrund von Geschlecht, Alter, Migrationshintergrund oder ihrer Haltung zu Zuwanderung bereits herausgerechnet. „Das Gefühl, für die kommende Transformation in der Arbeitswelt gerüstet zu sein – oder nicht – beeinflusst ganz offenbar Wahlentscheidungen“, sagt die Wissenschaftlerin.

  • Fast zwölf Prozent der Facharbeiter im Osten machen sich große Sorgen um ihre Arbeitsplatzsituation. Zur Grafik

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