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HBS Böckler Impuls

Mindestlohn: Mit 8,50 Euro im europäischen Mittelfeld

Ausgabe 18/2013

Mit der Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns von 8,50 Euro pro Stunde würde Deutschland keinen europäischen Spitzenplatz einnehmen. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle WSI-Untersuchung.

Deutschland läge mit einem Mindestlohn von 8,50 Euro noch deutlich unterhalb des Mindestlohnniveaus in anderen westeuropäischen Staaten. Dies gilt erst recht, wenn man die entsprechende Kaufkraft des Mindestlohns berücksichtigt, wie eine Analyse des WSI-Mindestlohnexperten Thorsten Schulten zeigt. Auch gemessen am Medianlohn, dem mittleren Stundenlohn, den Beschäftigte erhalten, „stellen 8,50 Euro keineswegs einen ungewöhnlich hohen Wert da“, betont Schulten.

Insgesamt 21 EU-Staaten verfügen über einen gesetzlichen Mindestlohn. In fünf dieser Staaten liegt er oberhalb von 8,50 Euro. Hierzu gehören Luxemburg mit einem Spitzenwert von 11,10 Euro sowie Belgien, die Niederlande und Frankreich mit Werten zwischen 9,07 und 9,43 Euro. Selbst im krisengeplagten Irland liegt der Mindestlohn mit 8,65 Euro noch oberhalb der in Deutschland derzeit diskutierten Marke.

Der Vergleich gesetzlicher Mindestlöhne gemessen in Euro wird zudem teilweise durch starke Wechselkursschwankungen verzerrt. Dies gilt insbesondere für Großbritannien, dessen nationale Währung im Vergleich zum Euro in den letzten Jahren um mehr als 30 Prozent abgewertet hat. Ohne diese Abwertung würde der britische Mindestlohn heute ebenfalls bei mehr als 9 Euro liegen.

Für die Beurteilung der Höhe eines Mindestlohns muss darüber hinaus berücksichtigt werden, welche Kaufkraft damit verbunden ist. Um die unterschiedlichen Lebenshaltungskosten in Europa zu berücksichtigen, hat das WSI die Mindestlöhne auf der Grundlage von Kaufkraftparitäten neu berechnet. Eine Lohnuntergrenze von 8,50 Euro würde demnach in Deutschland einem Kaufkraftstandard von 7,14 Euro entsprechen. Der kaufkraftbereinigte Mindestlohn in Deutschland würde damit etwa auf dem Niveau des Mindestlohns in Großbritannien und deutlich unterhalb der Mindestlöhne in Frankreich, den Beneluxstaaten und Irland liegen.

Schließlich ist von Bedeutung, wie sich der Mindestlohn jeweils zum nationalen Lohngefüge verhält. Letzteres kann mit dem so genannten „Kaitz-Index“ gemessen werden, der den Mindestlohn als Prozentsatz des nationalen Medianlohns misst. Die entsprechenden Daten, die hierzu regelmäßig von der OECD veröffentlicht werden, basieren allerdings auf nicht-harmonisierten nationalen Datenquellen und können deshalb lediglich als Näherungswerte angesehen werden. Nach Angaben der OECD variierten im Jahr 2011 die Mindestlöhne gemessen an den Medianlöhnen von Vollzeitbeschäftigten zwischen 71 Prozent in der Türkei und 35 Prozent in Tschechien, wobei die Mehrzahl der Länder einen Wert um die 50 Prozent aufweist.

Für Deutschland hat WSI-Forscher Schulten die aktuellsten vorliegenden Daten aus der Beschäftigungsstatistik der Bundesagentur für Arbeit ausgewertet. Sie weist für das Jahr 2011 einen Medianlohn für Vollzeitbeschäftigte von 2.829 Euro brutto pro Monat aus.

Bei einer 40-Stunden-Woche entspricht dies einem Medianlohn pro Stunde von 16,35 Euro. Dementsprechend würde ein Mindestlohn von 8,50 Euro im Jahr 2011 bei 52 Prozent des Medianlohns liegen. Berücksichtigt man darüber hinaus die Gehaltssteigerungen der Jahre 2012 und 2013, so entsprechen 8,50 Euro heute etwa 50 Prozent des Medianlohns. Mit diesem Wert befindet sich Deutschland lediglich im europäischen Mittelfeld. 

  • Verglichen mit anderen westeuropäischen Ländern wäre ein Mindestlohn von 8,50 Euro in Deutschland keineswegs besonders ehrgeizig. Zur Grafik

Thorsten Schulten ist Mindestlohnexperte im WSI. Er hat die WSI-Mindestlohndatenbank aufgebaut.

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