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HBS Böckler Impuls

Unternehmen: Gewinne werden kaum noch investiert

Ausgabe 02/2011

In den vergangenen zwei Jahrzehnten haben deutsche Unternehmen hohe Gewinne gemacht, aber wenig davon wieder investiert. Ein ausgeprägt schwaches Wirtschaftswachstum war die Folge.

Im Vergleich der großen Industrienationen gehörte Deutschland bis 2009 zu den Schlusslichtern bei Investitionen und Wachstum. In den 1990er-Jahren sind die Bruttoanlageinvestitionen inflationsbereinigt jährlich noch um etwa 1,8 Prozent gestiegen. Danach lagen sie mit Ausnahme der Jahre 2007 und 2008 unter dem Niveau von 2000. Dabei gelten Investitionen als Schlüssel für Wachstum und Wohlstand: Sie schaffen Einkommen und Arbeitsplätze.

Netto befanden sich - nach Abzug der reinen Ersatzinvestitionen - die Investitionen im zweiten Quartal 2010 real um mehr als ein Drittel unter dem Niveau des ersten Quartals 1991. Und das trotz kräftiger Zuwächse im Vergleich zu 2009. Die Privatwirtschaft, die in Deutschland den Löwenanteil der Investitionen tätigt, verzeichnete gerade im vergangenen Jahrzehnt wachsende Gewinne und konnte verstärkt Geldvermögen bilden. Bei den Investitionen hielt sie sich jedoch zurück.  

Die beiden Berliner Ökonomen Katja Rietzler und Jan Priewe, Professor an der Hochschule für Technik und Wirtschaft, haben sich auf die Suche nach den Gründen für die deutsche Investitions- und Wachstumsschwäche gemacht.  

Ihr Befund: Unternehmen legten ihre Gewinne zunehmend auf Finanzmärkten im In- und Ausland an - in erster Linie deshalb, weil sie im Inland zu wenige lohnende Investitionsprojekte sahen. Dafür sei vor allem die schwache Inlandsnachfrage infolge der jahrelangen Lohnzurückhaltung verantwortlich, so die Forscher.

Noch dramatischer als in der Privatwirtschaft ist die Lage im öffentlichen Sektor: Die staatlichen Investitionen schrumpften so stark, dass sie nicht einmal mehr den Ersatzbedarf decken. Seit 2003 zehrt der Staat seine Substanz auf - ein weiteres Hemmnis für das Wirtschaftswachstum.

Seit der Jahrtausendwende sind gerade in der Steuer- und Arbeitsmarktpolitik weit reichende Reformen umgesetzt worden, die nach Auffassung des deutschen ökonomischen Mainstreams mehr Investitionen hätten bringen müssen: Die Steuerreform 2000/2001 sorgte für eine erhebliche Entlastung der Unternehmen und privaten Haushalte. In den folgenden Jahren wurden die Befristung von Arbeitsverhältnissen und der Einsatz von Leiharbeit erleichtert. Mehr als ein Fünftel aller Beschäftigten arbeitet inzwischen im Niedriglohnsektor.

Parallel zur steuerlichen Entlastung verzeichneten die Investitionen jedoch ihre stärksten Einbrüche und erholten sich auch nicht wieder. Zudem schöpften die Lohnerhöhungen den Verteilungsspielraum bei weitem nicht aus; von 2004 bis 2007 sanken die Lohnstückkosten sogar. Der Boom des Niedriglohnsektors drückte die gesamte Lohnentwicklung nach unten. Trotzdem schufen Unternehmen nicht die erwarteten neuen Arbeitsplätze, so Priewe und Rietzler.

Die Ökonomen haben dafür eine einfache Erklärung: Auch bei besten Angebotsbedingungen investieren Unternehmen nur dann, wenn ihre Anlagen auch ausgelastet sind. Und gerade die zögerliche Lohnentwicklung schwächte die Inlandsnachfrage nachhaltig. Für eine große Volkswirtschaft wie Deutschland spiele jedoch die Binnennachfrage eine zentrale Rolle, so die Wissenschaftler. Eine Strategie der Lohnzurückhaltung sei das falsche Rezept für nachhaltiges Wachstum: "Die schwache Binnennachfrage dämpft die für die Investitionstätigkeit maßgeblichen Rentabilitätserwartungen." Investitionen und Wachstum wären bei einer produktivitätsorientierten Lohnpolitik vermutlich höher ausgefallen, ohne dass es zu inflationären Tendenzen gekommen wäre.

Anders als in Ländern wie den USA oder Frankreich mit stärkerer Investitionsentwicklung liegen in Deutschland mit seiner besonders niedrigen Inflationsrate die langfristigen Realzinsen seit Mitte der 1990er-Jahre dauerhaft deutlich über der Wachstumsrate des Bruttoinlandsprodukts. "Diese Konstellation begünstigt die Geldvermögensbildung gegenüber der Sachvermögensbildung und hemmt das Wachstum", stellen die Wirtschaftsforscher fest. Seit Beginn der 1990er habe sich das Geldvermögen fast verdreifacht, während die Sachanlagen nur um 65 Prozent zunahmen. "Der im Vergleich zum Wachstumstrend höhere langfristige Realzins hat zu einem im internationalen Vergleich markanten Ungleichgewicht zwischen Geld- und Sachkapitalbildung geführt", stellen Rietzler und Priewe fest. "Gewinne und Investitionen sind mittlerweile stark entkoppelt."

Für ein besseres Wirtschaftswachstum empfehlen die Forscher: Schluss mit der Förderung des Niedriglohnsektors und eine Rückkehr zu an der Produktivität orientierten Lohnzuwächsen; insgesamt also eine Stärkung der Binnennachfrage. Diese ermögliche höhere Investitionen - und damit auch mehr Wachstum.

  • Die Privatwirtschaft, die in Deutschland den Löwenanteil der Investitionen tätigt, verzeichnete wachsende Gewinne. Bei den Investitionen hielt sie sich jedoch zurück. Zur Grafik

Jan Priewe, Katja Rietzler: Deutschlands nachlassende Investitionsdynamik 1991-2010, Friedrich-Ebert-Stiftung, Dezember 2010

 

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