Projektbeschreibung
Kontext
Die (industrie-)politische Bearbeitung der Klimakrise unter den Vorzeichen internationaler Konkurrenz treibt betriebliche Transformationsprozesse in Richtung eines – gleichwohl heftig umkämpften – „grünen Kapitalismus“ an. Wo Dekarbonisierung als konkrete Umgestaltung von Arbeitsprozessen praktisch wird, besteht beträchtliches Konfliktpotenzial – auch in solchen Betrieben, für die sich eine Zukunft der „Klimaneutralität“ durch technologische Modernisierung abzeichnet. Die Ebene der betrieblichen Interessenartikulation und Konfliktaustragung ist folglich zentral für die Einschätzung der Tragfähigkeit eines ökologisch modernisierten Kapitalismus. Gleichzeitig ist sie in der entsprechenden sozialwissenschaftlichen Diskussion unterbelichtet. Das Bild des in Bedrängnis geratenen Arbeitsplatzbesitzers bedarf einer Erweiterung um die subjektiven Wahrnehmungen der ökologischen Krise und ihrer spezifischen Beziehung zu Gerechtigkeitsansprüchen.
Fragestellung
Die bisher vorliegenden Studien legen nahe, dass eine deutliche Mehrheit von Industriebschäftigten über ein ausgeprägtes ökologisches Problembewusstsein verfügt, gleichzeitig aber eine begründete Skepsis gegenüber den erlebten Modernisierungsprozessen hegt. Das Projekt soll erhellen, wie die Bearbeitung der ökologischen Krise auf betrieblicher Ebene relevant wird, durch welche Konflikte hindurch sich also politische Weichenstellungen und gesellschaftliche Diskurse in die betriebliche Praxis übersetzen und wie sie sich im Urteil jener Beschäftigten darstellen, die im Arbeitsprozess davon tangiert werden. Es interessiert sich dafür, wie Beschäftigte die ökologische Frage in die Formulierung ihrer Interessen integrieren, wie sie mit Widersprüchen zu anderen Interessen umgehen und welche Folgen das für die Beteiligungsorientierung hat. Inwieweit und in welcher Form eignen sich Industriebeschäftigte den Dekarbonisierungsdiskurs an und verbinden ihn mit ihren eigenen Gerechtigkeitsanliegen?
Untersuchungsmethoden
Zuerst sollen die überbetrieblichen Einflussgrößen der Herausbildung betrieblicher Dekarbonisierungsregimes bestimmt werden. Der empirische Hauptteil besteht in der vergleichenden Untersuchung konkreter Dekarbonisierungskonstellationen und kombiniert mehrere qualitative Methoden: Expert:inneninterviews, Dokumentenanalysen und Betriebsbegehungen gewährleisten die klare Konturierung des Feldes; im Mittelpunkt stehen aber Interviews mit Beschäftigten in einschlägigen Umbruchssituationen. In einem mehrstufigen Auswertungsverfahren wird das Material daraufhin analysiert, wie die Befragten ihre arbeitsplatzbezogenen Interessen und ökologische Belange gegeneinander abwägen oder argumentativ integrieren. Das erlaubt es schließlich, die ökologische Modernisierung von Produktionsregimes in ihrer Umkämpftheit in mehreren Arenen zu begreifen: in der gesellschafts- und industriepolitischen, in der sozialpartnerschaftlich-betrieblichen und in der arbeitsprozessbezogenen Arena.