Forschungsprojekt: Branchenanalyse Behindertenhilfe

Umfang, Entwicklung und Arbeitsbedingungen einer Branche im Schatten

Projektziel

In der Studie wird die Branche der Behindertenhilfe umfassend und empirisch untersucht. Umfang, Strukturen, Arbeitsbedingungen, Mitbestimmung und Digitalisierung - über die es für dieses Feld jeweils nur rudimentäre Kenntnisse gibt - werden auf Basis von Dokumentenanalysen, Interviews und einer Umfrage rekonstruiert und betrachtet.

Projektbeschreibung

Kontext

Die Behindertenhilfe ist ein sehr umfassendes Beschäftigtenfeld, über das aber nur wenige Erkenntnisse vorliegen. Da die Behindertenhilfe in öffentlichen Statistiken nicht als eigenständige Wirtschaftsgruppe geführt wird, gibt es auch fast keine offiziellen Daten. Entsprechend ist nicht einmal bekannt wie viele Menschen in diesem Feld arbeiten. Grobe Schätzungen gehen von 460.000-710.000 Beschäftigten in diesem Sektor aus. Dieser Umfang und die Relevanz des Feldes spiegeln sich bislang weder in der Forschung noch in der öffentlichen Wahrnehmung wider. In der Folge ist nur wenig über die Qualität der Arbeitsbedingungen, die Existenz von Mitbestimmungsstrukturen, Tarifbindungen sowie Träger und Finanzierungsstrukturen bekannt.

Außerdem befindet sich die Branche in einem umfassenden Wandel, die mit den Schlagworten Ökonomisierung, Ambulantisierung, Inklusion, Personenzentrierung und Digitalisierung identifiziert sind.

Fragestellung

Angesichts der begrenzten Kenntnisse über die Behindertenhilfe sowie deren gegenwärtige Veränderungen geht die geplante Branchenanalyse den folgenden Fragen nach:

• Wie viele Menschen sind in der Behindertenhilfe tätig?

• Wer arbeitet in welchen Beschäftigungsverhältnissen in der Behindertenhilfe?

• Wie sind Stand und Entwicklung der Arbeitsbedingungen der Beschäftigten? Welche Themen sind für diese besonders relevant?

• Welche Rolle spielen Mitbestimmung, Tarifverträge und gewerkschaftliche Organisierung in der Behindertenhilfe – auch angesichts der hohen Relevanz konfessioneller Träger?

• Welche Folgen hat die Restrukturierung der Behindertenhilfe durch das Bundesteilhabegesetz sowie eine zunehmende Ambulantisierung und Inklusion auf die Branche und ihre Arbeitsbedingungen?

• Wie wirkt sich die zunehmende Digitalisierung auf die Beschäftigten aus?

Untersuchungsmethoden

Es wurde eine umfassende Literaturrecherche durchgeführt um den aktuellen Stand der Diskussion abzubilden. Im Anschluss wurden über dreißig Interviews mit Beschäftigten, Betriebsräten, Einrichtungsleitungen, Expert:innen und weiteren Branchenkenner:innen geführt. Darüber hinaus wurde eine Online-Umfrage unter Beschäftigten der Behindertenhilfe durchgeführt an der 8.641 Personen teilgenommen haben.

Darstellung der Ergebnisse

Behindertenhilfe erweist sich als sehr umfassendes und heterogenes Feld. Die vielen verschiedenen Bereiche (bspw. von der stationären oder ambulanten Wohnbetreuung, der Arbeit und Anleitung in Werkstätten bis hin zur Unterstützung in schulischen Kontexten) sind in der Regel in den jeweiligen Bundesländern unterschiedlich geregelt. Allgemein bestätigen sich aber Trends der Ökonomisierung, Ambulantisierung/Personenzentrierung und der Digitalisierung, die die Behindertenhilfe nachhaltig beeinflussen. Das Resultat ist ein fragmentiertes System der Arbeitsbeziehungen, das neben korporatistischer Regulierung zunehmend auch von marktlicher Steuerung gekennzeichnet ist.

Außerdem zeigen sich zunehmend belastende Arbeitsbedingungen, die von vielen Überstunden, Teilzeitarbeit, mitunter auch aggressiven Übergriffen der Klient:innen, unterdurchschnittlichen Entlohnung geprägt sind.

Da es sich bei Behindertenhilfe in erster Linie um Interaktionsarbeit an und mit Menschen handelt, spielt Digitalisierung bisher nur eine nachgelagerte Rolle. Allerdings werden auch hier die Arbeitsprozesses zunehmend digital organisiert was neue Herausforderungen mit sich bringt (z.B. Entgrenzung).

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