Projektbeschreibung
Kontext
Postfordistische Arbeitsweisen zeichnen sich durch ein Set von Flexibilisierungsmechanismen aus, die das Subjekt adressieren und einbinden. Sie aktivieren unternehmerisches, auch emotionales Handeln, und fordern eine permanente Re-Definition des Selbst. Postfordistsiche Arbeitsweisen sollen sich durch eine Renaissance des Schöpferischen auszeichnen. Solch schöpferischer Akt ist zwar identitätsstiftend, läuft aber Gefahr, in Erschöpfung umzuschlagen, wenn er auf Dauer gestellt wird. Diese Ambivalenz des kreativen Potentials postfordistischer Arbeit macht eine einseitige Kritik derselben schwierig. Problematisch wird aufgrund der Immaterialität kreativer Arbeit und der Nicht-Linearität von Arbeitsbiographien im Postfordismus auch ein selbstversicherndes Story-Telling. Das Projekt fragt, ob und wie Literatur die Entwicklung der Arbeitsgesellschaft seit den 1970er Jahren allgemein und den behaupteten Aufstieg kreativer Aspekte der Arbeitswelt im Speziellen begleitet und narrativiert.
Fragestellung
Im Mittelpunkt steht die Frage, wie, mit welchen erzähltechnischen Mitteln und in welchem Genre sich die Thematisierung von Kreativität historisch durchsetzt. Davon abgeleitet sind folgende Fragen forschungsleitend:
- Wie wandeln sich Erzählungen von Kreativität mit der Konsolidierung postfordistischer Arbeitsregime und wie erzählen sie diesen Prozess?
- Welche Figuren kreativer Arbeit dominieren wann und in welchen Berufsfeldern?
- Werden sie kongruent zum historischen Prozess erzählt oder weichen sie davon ab?
- In Relation zu welchen historischen Ereignissen werden Erzählungen von kreativer Arbeit gesetzt?
- Wann lassen sich signifikante Häufungen narrativer Interventionsstrategien der Kritik, wann affirmative Bejahung und wann Perioden des Desinteresses gegenüber den Anforderungen kreativer Flexibilität feststellen?
- Wie lässt sich immaterielle Arbeit im Allgemeinen, kreative Arbeit im Speziellen narrativieren?
- Wird Kreation als Emanzipations- oder Verlustgeschichte erzählt?
Untersuchungsmethoden
Das Projekt untersucht die literarischen Texte als in ihre historischen und kulturellen Entstehungskontexte eingebunden und mit ihnen im zirkulären Austusch befindlich. Literatur wird damit als Interdiskurs verstanden, in dem unterschiedliche Spezialdiskurse (der Arbeitswissenschaft, der Ökonomie, der Soziologie, Kulturwissenschaft, Historiographie etc.) gekoppelt und mit Alltagswissen amalgamiert werden. Literatursoziologisch ist der Zuschnitt des Projektes in dem Sinne, dass Literatur und Gesellschaft in Beziehung stehen und die gesellschaftskritische Position der Literatur herausgearbeitet wird. Notwendig ist dafür ein grundsätzlich narratologischer Zugriff, mit dem herausgearbeitet werden kann, wie ein kritischer Gesellschafts- respektive Realitätsbezug literarisch gestaltet wird, wie (und mit welchem Recht) das Subjekt der Weltwahrnehmung seine Sicht der Dinge präsentiert - oder selbst präsentiert wird.
Darstellung der Ergebnisse
Die Analyse literarischer Texte, die den Wandel der Arbeitsgesellschaft thematisieren, ergibt folgendes Bild:
In historischer Perspektive zeichnen die literarischen Texte den Strukturbruch nach. Um 1968 werden kreativer Nonkonformismus und Selbstverwirklichung gegen fordistische Fabrikdisziplin und Bürokratie in Stellung gebracht. Während diese Impulse in den 1980er und 1990er Jahren kaum literarisches Interesse finden, fokussieren Texte ab der Jahrtausendwende die ökonomische Vereinnahmung individueller Kreativität. Aus narratologischer Perspektive fällt auf, dass der kreative Akt unerzählt bleibt. Mehr noch: Schöpfung schlägt um in Erschöpfung. Das führt zu a) Erzählungen von Leidensgeschichten: Die Figuren halten den Anforderungen des Kreationsdrucks nicht stand oder fallen in Routinen zurück, für die Kreativität ein Lippenbekenntnis bleibt; b) Erfolgsgeschichten, in denen kreative Arbeit und Kreation veralltäglicht sind und den Nimbus der Selbstverwirklichung verlieren; c) Texte, die die prekäre Seite der Kreativwirtschaft fokussieren. Damit steht die Literatur der Aufwertung von Kreativität im ökonomischen und kulturwissenschaftlichen Diskurs insgesamt skeptisch gegenüber.