Projektbeschreibung
Kontext
Die Armutsberichte des DGB und des DPWV, aber auch die Armuts- und Reichtumsberichte der Bundesregierung beschreiben ausführlich das Ausmaß der Unterversorgung in verschiedenen Lebensbereichen (Einkommen, Wohnen, Arbeit, Gesundheit, Bildung). Wer von Armut und Unterversorgung betroffen ist, wie lange und mit welchen Konsequenzen für die eigene Lebensführung, ist relativ gut beschrieben. Viele Forscher haben jedoch darauf hingewiesen, dass Armut und Unterversorgung für einen großen Teil des betroffenen Personenkreises nur ein vorübergehender Zustand ist, während dauerhafter Verbleib in Armut, ganz zu schweigen von einer eventuellen "Vererbung" der Armutslage von einer Generation zur nächsten, allenfalls bei einer Minderheit zu beobachten ist. Über die Prozesse des Verbleibs und vor allem des Ausstiegs aus Armut inkl. ihrer Determinanten geben die Armutsberichte allerdings nur begrenzt Auskunft.
Fragestellung
Das hier beantragte Projekt beschäftigt sich mit der individuellen Bewältigung (Coping) von Armut und Unterversorgung. Im Mittelpunkt des Forschungsinteresses steht das Verhältnis von Eigeninitiative und institutionellem Hilfeangebot. Im einzelnen sollen folgende Fragen untersucht werden:
1. Wie groß ist der Anteil des Personenkreises, der aufgrund seiner faktischen Möglichkeiten zu einem Ausstieg aus Armut und Unterversorgung in der Lage ist?
2. Um welche sozio-demographischen Gruppen handelt es sich hierbei bzw. welche individuellen und sozialen Faktoren begünstigen (bzw. behindern) einen solchen Ausstieg?
3. Welche Rolle spielen hierbei die Aktivitäten des Individuums, sein soziales Netzwerk und das institutionelle Hilfeangebot (Arbeitsamt, Sozialamt, Jugendamt usw.)?
Untersuchungsmethoden
Die Untersuchung betrachtet nicht ausschließlich Sozialhilfeempfänger, sondern den gesamten unteren Einkommensbereich. Im Gegensatz zur Mehrzahl der soziologischen Armutsforschungen werden repräsentative Längsschnittdaten verwendet, die zum einen eine größere Verallgemeinerbarkeit der Ergebnisse garantieren und zum anderen durch die Längsschnittbetrachtung eine eindeutige Trennung von Ursachen und Folgen individuellen Handelns erlauben. Als Datenquelle fungiert das vom (ehemaligen) Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung in Auftrag gegebene Niedrigeinkommens-Panel. Die Erhebung erfasst neben ausführlichen demographischen und einkommensbezogenen Informationen soziale Herkunft und soziale Unterstützung, Wohnsituation, Gesundheit und Ernährungsgewohnheiten, soziale Netzwerke, subjektive Einschätzungen der Lebenssituation sowie vor allem das Erwerbsverhalten (Arbeitssuche, Erwerbsbeteiligung) und die entsprechenden Erfahrungen mit dem institutionellen Hilfeangebot.
Darstellung der Ergebnisse
Ein umfangreiches soziales Netzwerk der Bezugsperson wirkt sich positiv auf die Einkommensentwicklung aus. Eine Vielzahl von Sozialkontakten ist auch beim Ausstieg aus Arbeitslosigkeit hilfreich, wenngleich dieser Effekt nur bei den Frauen, nicht aber bei den Männern signifikant höhere Abgangschancen erbringt. Eigeninitiative bei der Stellensuche hingegen scheint sich eher bei Männern zu rentieren, allerdings nur dann, wenn nicht weitere Arbeitsmarktrisiken hinzutreten. Was die Wirkung institutioneller Hilfen auf den Abgang aus Arbeitslosigkeit betrifft, so konnte für Personen, die Hinweise auf offene Stellen von Seiten des Arbeitsamtes erhalten haben, kein Effekt festgestellt werden. Arbeitsuchende die durch das Arbeitsamt hinsichtlich einer Ausbildung, Fortbildung oder Umschulung beraten worden sind, haben scheinbar sogar schlechtere Arbeitsmarktchancen. Hier bedarf die Kausalrichtung des Effektes allerdings weiterer Untersuchungen.