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Neue Konjunkturprognose des IMK: Deutsche Wirtschaft schrumpft in diesem Jahr um 0,5 Prozent, 2024 Wachstum um 1,2 Prozent

21.06.2023

Eine nur langsame Erholung nach der Winterrezession führt dazu, dass die deutsche Wirtschaft auch im Gesamtjahr 2023 leicht schrumpft. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) sinkt im Jahresdurchschnitt um 0,5 Prozent. Gleichzeitig bleibt der Arbeitsmarkt stabil. Im kommenden Jahr gewinnt die Konjunktur dann wieder etwas stärker an Fahrt, das BIP dürfte um durchschnittlich 1,2 Prozent zulegen. Das ergibt die neue Konjunkturprognose des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung. Die Arbeitslosenquote steigt im Durchschnitt diesen Jahres leicht auf 5,5 Prozent und bleibt 2024 auf diesem Niveau. Das entspricht knapp 2,6 Millionen Menschen ohne Job – 150.000 mehr als 2022. Die Inflationsrate wird im Jahresdurchschnitt 2023 noch hohe 5,3 Prozent betragen, im Jahresverlauf verringert sich der Preisauftrieb aber. 2024 dürfte die Teuerungsrate mit 2,4 Prozent wieder relativ nahe am Inflationsziel der Europäischen Zentralbank (EZB) liegen.

Gegenüber seiner vorherigen Prognose vom März senkt das IMK seine Erwartung zur BIP-Entwicklung für 2023 um 0,5 Prozentpunkte ab. Die Wachstumsprognose für 2024 bleibt unverändert. Dabei gehen die Forschenden davon aus, dass der russische Krieg gegen die Ukraine nicht eskaliert und dass die Hochzinspolitik der Zentralbanken keine internationale Finanzkrise auslöst. Trotz der relativen Beruhigung an den Finanzmärkten ist letzteres aus Sicht der Forschenden ein relevantes Risiko.

Für den absehbaren Rückgang des Bruttoinlandsprodukts und die schleppende wirtschaftliche Erholung vor allem in diesem Jahr gibt es eine Reihe von Gründen: Die Preissteigerungen haben die Haushalte Kaufkraft gekostet, was den privaten Konsum dämpft, der rund die Hälfte der Wirtschaftsleistung ausmacht. Der Staatskonsum ist deutlich zurückgegangen, nachdem die Corona-Maßnahmen weggefallen sind. Die Bauinvestitionen sinken drastisch, weil sich durch die Zinserhöhungen der Europäischen Zentralbank Kredite stark verteuert haben. Hinzu kommt eine eher verhaltene Entwicklung des Außenhandels. Die Weltwirtschaft werde im Prognosezeitraum lediglich „mit geringer Dynamik auf Erholungskurs gehen“, so das IMK. Beispielsweise erwartet das Institut für die USA in diesem Jahr allenfalls ein moderates Wirtschaftswachstum von 1,1 Prozent – und schließt wegen der hohen amerikanischen Zinsen auch eine deutlich schwächere Entwicklung nicht aus.   

Auf der konjunkturellen Habenseite für die deutsche Wirtschaft stehen, neben der nachlassenden Inflation, kontinuierlich wachsende Ausrüstungsinvestitionen. Gründe dafür sind unter anderem die ökologische Transformation der Wirtschaft und wachsende Rüstungsausgaben des Staates.

„Vor diesem Hintergrund ist in diesem Jahr nach der leichten Rezession im Winterhalbjahr und einer Stagnation im zweiten Quartal in der zweiten Jahreshälfte mit einer zögerlichen Erholung der deutschen Konjunktur zu rechnen“, fassen die Ökonom*innen das Bild für 2023 zusammen. „Im nächsten Jahr setzt sich die Erholung fort.“ Es sei bedauerlich, dass sich die etwas positiveren wirtschaftlichen Perspektiven, die sich im Frühjahr abgezeichnet hatten, nun wieder zerschlagen hätten, sagt Prof. Dr. Sebastian Dullien, der wissenschaftliche Direktor des IMK. Aber angesichts der enormen wirtschaftlichen Herausforderungen nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine seien die Ausschläge nach unten moderat.

„Die deutsche Wirtschaft erweist sich einmal mehr als robust und die Bundesregierung hat in ihrer Anti-Krisen-Politik bei aller berechtigten Kritik grundsätzlich viel richtig gemacht, weil sie die Kaufkrafteinbußen in einer extrem schwierigen Phase begrenzt“, so Dullien. Mit Blick auf Konjunktur und Finanzmarktstabilität sei es wichtig, dass sich die Notenbanken bis auf Weiteres mit weiteren Zinserhöhungen zurückhielten: „Da die Inflation sich absehbar in Richtung des Ziels der EZB von zwei Prozent entwickelt, zugleich aber die kräftigen Zinserhöhungen der vergangenen Monate ihre volle Wirkung erst mit Zeitverzögerung entfalten, sollte die EZB mit ihren Zinsschritten nun zunächst eine Pause einlegen und die weitere Entwicklung abwarten.“   

Kerndaten der Prognose für 2023 und 2024

  • Arbeitsmarkt
    Die schwache konjunkturelle Dynamik bremst die Entwicklung der Erwerbstätigkeit, die gleichwohl positiv bleibt. Die Zahl der Erwerbstätigen legt 2023 jahresdurchschnittlich um 0,7 Prozent und 2024 um 0,5 Prozent zu. Bei den Arbeitslosenzahlen prognostiziert das IMK im Jahresdurchschnitt 2023 einen leichten Anstieg um knapp 150.000 Personen, so dass im Jahresmittel knapp 2,57 Millionen Menschen arbeitslos sein werden. Das entspricht einer Quote von 5,5 Prozent, ein Anstieg um 0,2 Prozentpunkte gegenüber 2022. Für 2024 veranschlagen die Forschenden einen marginalen Rückgang der Arbeitslosenzahl und ebenfalls eine Quote von 5,5 Prozent.  
     
  • Weltwirtschaft und Außenhandel
    Die Weltwirtschaft wächst verhalten. Von wichtigen Handelspartnern kommen eher schwache Impulse. 2023 legen die deutschen Ausfuhren nur um 0,4 Prozent im Jahresmittel zu. Trotzdem leistet der Außenhandel per saldo in diesem Jahr einen spürbaren positiven Wachstumsbeitrag, weil die Importe jahresdurchschnittlich um 1,5 Prozent zurückgehen. 2024 legen die Exporte um 2,1 Prozent zu, die Importe um 2,3 Prozent.
     
  • Investitionen
    Die Ausrüstungsinvestitionen entwickeln sich laut IMK-Prognose robust: 2023 steigen sie um 3,5 Prozent im Jahresmittel, 2024 um 2,5 Prozent. Dabei schlagen sowohl Ausgaben von Unternehmen für den klimafreundlichen Umbau ihrer Produktion zu Buche als auch die steigenden staatlichen Ausgaben für Verteidigung. Die lange Zeit kräftigen Bauinvestitionen brechen hingegen wegen erhöhter Kosten und Zinsen weiter ein. Nach einem Rückgang um 3,3 Prozent im Jahresdurchschnitt 2023 fallen sie 2024 um jahresdurchschnittlich 2,3 Prozent zurück.
     
  • Privater Konsum
    Die starke Teuerung drückt in diesem Jahr deutlich auf die realen Einkommen, auch wenn sich die nominalen Löhne spürbar kräftiger entwickeln als in den Vorjahren. Für 2024 erwartet das IMK dann wieder eine Erholung, weil bei sinkender Inflation Löhne und Beschäftigung weiter zunehmen. Die privaten Konsumausgaben sinken dementsprechend im Jahresmittel 2023 real deutlich um 1,6 Prozent. Der Rückgang wird etwas dadurch gemildert, dass auch die Sparquote spürbar reduziert wird. 2024 wachsen die realen privaten Konsumausgaben bei weiter leicht sinkender Sparquote wieder um 1,7 Prozent.
     
  • Inflation und öffentliche Finanzen
    Nach 6,9 Prozent Inflation im Vorjahr prognostiziert das IMK für 2023 eine Teuerungsrate von 5,3 Prozent. 2024 beruhigt sich das Inflationsgeschehen dann stärker, im Jahresdurchschnitt beträgt die Teuerungsrate 2,4 Prozent.

Die Steuereinnahmen entwickeln sich 2023 etwas schwächer, nicht zuletzt als Folge verschiedener steuerlicher Entlastungen. Zugleich setzt der Staat zur Krisenbekämpfung eine Menge Geld ein, unter anderem für die Strom- und Gaspreisbremse, für höhere Verteidigungsausgaben sowie zur Flüchtlingsaufnahme. Zudem steigen Transferzahlungen wie das Kinder- und das Wohngeld. Das trägt zur Stabilisierung der Konjunktur bei, führt aber auch dazu, dass das öffentliche Budget 2023 ein Defizit von 2,3 Prozent aufweisen wird. Für das kommende Jahr geht das IMK für die öffentlichen Finanzen von einem „allmählichen Ausstieg aus dem Krisenmodus“ aus. Daher prognostiziert das IMK für 2024 einen Rückgang des Defizits auf 1,7 Prozent.

Weitere Informationen:
 
Sebastian Dullien, Alexander Herzog-Stein, Peter Hohlfeld, Katja Rietzler, Sabine Stephan, Thomas Theobald, Silke Tober, Sebastian Watzka: Deutsche Wirtschaft erholt sich nur allmählich von der Winterrezession. Prognose-Update: Die konjunkturelle Lage in Deutschland zur Jahresmitte 2023. IMK Report Nr. 182, Juni 2023.

Die Pressemitteilung mit Tabelle (pdf)

Kernergebnisse der Prognose im Audio-Statement von IMK-Konjunkturforscher Peter Hohlfeld

Kontakt:

Prof. Dr. Sebastian Dullien
Wissenschaftlicher Direktor IMK

Peter Hohlfeld
IMK-Konjunkturexperte

Rainer Jung
Leiter Pressestelle

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