Preisträger*innen 2025: Maximilian Waldmann: Wie uns Smartphone-Apps verändern können
„Mich interessiert, wie Apps dazu beitragen, sich mit Digitalisierung, Umweltschutz, Gleichberechtigung, Diskriminierung, Gesundheit auseinanderzusetzen.“
Maximilian Waldmann scheut vor einem ganz großen Wort nicht zurück: Weltverbesserung. Und er verbindet es mit etwas, woran man hinsichtlich hehrer humanistischer Ansprüche wohl nicht zuallererst denken würde: Smartphone-Apps.
„Mich interessiert“, sagt der wissenschaftliche Mitarbeiter am Institut für Bildungswissenschaft und Medienforschung der Fernuniversität Hagen, „wie Apps dazu beitragen, sich mit Digitalisierung, Umweltschutz, Gleichberechtigung, Diskriminierung, Gesundheit und anderen sogenannten Schlüsselthemen der Gesellschaft auseinanderzusetzen.“ Waldmann will wissen, was solche „Weltverbesserungs-Apps“, wie er sie nennt, mit ihren Nutzer*innen machen. Wie sie die Menschen verändern können, ihr Verhältnis zu anderen und zur Gesellschaft. „Das ist ungewöhnlich, weil wir normalerweise davon ausgehen, dass wir es sind, die etwas mit Apps tun.“ Und nicht umgekehrt.
Waldmann, geboren 1986 in Karl-Marx-Stadt (heute Chemnitz), hat Erziehungswissenschaft, Medienwissenschaft, Psychologie, Ostslawistik und Kulturgeschichte studiert, in Jena, Minsk und Moskau. Bevor er nach Hagen kam, lehrte er an den Universitäten in Jena und Köln. „Orte inspirieren mich durch die Menschen, die sie beleben und zu etwas Besonderem machen“, sagt er. Einer der in diesem Sinne intellektuell „lebendigen Orte“ sei der interdisziplinäre Forschungsschwerpunkt „digitale_kultur“ der Fernuniversität Hagen. „Ein Großteil meines Wissens über die digitale Kultur, die uns wie eine zweite Natur umgibt, entstammt diesem Forschungszusammenhang.“ Auch die Idee zu seinem Projekt entstand hier.
Die „quasi-pädagogischen Effekte“ von nicht ausdrücklich für Bildungszwecke konzipierten Smartphone-Apps seien noch größtenteils unerforscht, erklärt der Wissenschaftler. Er will nicht nur wissen, inwieweit Apps, mit denen zum Beispiel geleistete Carearbeit oder ein CO2-Fußabdruck erfasst werden können, tatsächlich auf die Veränderung von Gewohnheiten abzielen. „Ich möchte gern zeigen, dass die Apps noch weitere Handlungspotenziale besitzen, weil sie bei den Nutzenden Neugier, Antizipation von Erwartungsdruck, Unsicherheit oder auch Apathie, Widerwillen und Scham auslösen.“ Was passiert, wenn durch das digitale Protokollieren von Carearbeit auch individuell sichtbar wird, was gesamtgesellschaftlich unbestritten ist: dass Frauen den Großteil dieser Arbeit tragen? Löst die App Konflikte aus, sorgt sie für ein Umdenken? Oder verführt sie im Gegenteil dazu, die politisch-gesellschaftliche Ebene einfach auszublenden?
Um das erforschen zu können, arbeitet Waldmann mit Bildschirmvideos (Screencasts), in denen Menschen ihre App-Nutzung dokumentieren und kommentieren. Auch er selbst tut das, die Rollen des Nutzers und des Forschers überschneiden sich. „Ich finde immer wieder faszinierend, wie viel in einer kurzen App-Nutzungs-Sequenz stecken kann“, sagt er. Das reiche von Hinweisen, wie Daten der Nutzer*innen von den Anbietern monetarisiert werden, bis zu eingeschriebenen kulturellen Stereotypen wie Heteronormativität oder Zweigeschlechtigkeit. Seine Doktorarbeit hat Waldmann über Queer/Feminismus und kritische Männlichkeit geschrieben. Neben der hegemonie- und machtkritischen Medienpädagogik gehören Gender und Queer Studies nach wie vor zu seinen Forschungsschwerpunkten.