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Magazin Mitbestimmung

Interview: „Zum Nachteil der Betriebsräte“

Ausgabe 06/2012

Jochen Homburg, Ressortleiter Betriebspolitik bei der IG Metall, über Schieflagen bei der Betriebsratsvergütung. Auch wenn Betriebsräte in großen Konzernen ferigestellt sind, arbeiten sie eigentlich ehrenamtlich. Ihre Bezahlung richtet sich daher nach ihrer usrprünglichen Tätigkeit.

Jochen Homburg, ist die geltende Vergütungsregelung nach dem Betriebsverfassungsgesetz überholt?
Das Ehrenamtsprinzip halte ich für richtig. Es macht nach wie vor deutlich, dass es sich hier nicht um einen Lehrberuf handelt, sondern um ein Wahlamt im Betrieb. Allerdings passt die Vergütungsregel nach § 38 nicht
mehr in allen Betrieben, insbesondere nicht in größeren Betrieben oder multinational agierenden Unternehmen. Den Betriebsräten dort wird das Gesetz in seiner Starrheit in vielen Fällen nicht mehr gerecht, sie werden in der Folge nicht angemessen bezahlt, egal ob voll freigestellt oder nicht.

Was besagt der § 38 BetrVG, und was ist daran problematisch?
Das freigestellte BR-Mitglied hat danach Anspruch auf das Arbeitsentgelt, das es bei der Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit erhalten würde. Das Betriebsratsmitglied muss aber seine berufliche Weiterentwicklung im Streitfall selbst nachweisen und dabei sozusagen seinen beruflichen Werdegang fiktiv nachzeichnen. Er oder sie trägt also in einem Gerichtsverfahren die damit verbundene Darlegungs- und Beweislast. Das stellt das Betriebsratsmitglied in der Regel vor eine fast unlösbare Aufgabe, worauf auch das Bundesarbeitsgericht hindeutet. (BAG-Urteil vom 14. Juli 2010 Aktenzeichen: 7 AZR 359/09)

Warum ist diese Vergütungsregel nicht mehr zeitgemäß?
An die Erfüllung der Aufgabe eines Betriebsrates werden heute höhere Anforderungen gestellt. Da geht es nicht mehr ohne intensive Fortbildung. Kein Mitarbeiter, der jedes Jahr auf mehrere Schulungen geht, würde jemals bei seinem alten Gehalt stehen bleiben. Aber wenn ein Arbeitnehmer als Staplerfahrer ins Gremium gewählt wird und 20 Jahre später Gesamtbetriebsratsvorsitzender ist, wird er nach § 38 immer noch wie ein Staplerfahrer bezahlt. Betriebsräte machen in aller Regel eine Karriereentwicklung, die sich dann aber nicht in ihrer Honorierung niederschlägt. Sie werden nach einer Tätigkeit bezahlt, die sie seit vielen Jahren nicht mehr ausüben, und die vielen Fortbildungen bleiben gänzlich unberücksichtigt. Das führt zu Ungerechtigkeiten, in vielen Fällen zum Nachteil der Betriebsräte.

Was muss sich ändern?
Die Vergütung muss sich auch an der tatsächlich ausgeübten Tätigkeit orientieren und die Fortbildungen berücksichtigen, so wie das auch bei anderen Aufgaben gemacht wird. Der Betriebsratsvorsitzende eines mittleren Automobilzulieferers mit 700, 800 Beschäftigten leitet ein Gremium mit 13 Kollegen und Kolleginnen, er hat einen Zehn-Stunden- Tag, arbeitet an Wochenenden, hat viel Stress – das muss sich auch in seiner Bezahlung ausdrücken. Oder: Wenn in einem Betriebsratsausschuss eine Verkäuferin und ein IT-Programmierer sitzen und die eine 1200 Euro netto verdient und der andere ein Mehrfaches davon, obwohl beide den gleichen Job machen, muss das überdacht werden.

Sie plädieren also für Funktionszulagen, wie sie vor allem große Unternehmen zahlen?

Das Problem solcher Funktionszulagen ist, dass sie in der gültigen Auslegung des  38 nicht rechtskonform sind. Daher wäre eine der ausgeübten Tätigkeit und Weiterqualifizierung entsprechende Eingruppierung die bessere Lösung.

Sollten solche Zuschläg e und generell die Vergütungshöhe der Betriebsräte auch in der Belegschaft bekannt sein?
Sicherlich stellt sich die Frage, warum das Gehalt eines Betriebsratsvorsitzenden öffentlich sein sollte, obwohl bei den Managergehältern die Transparenz oft fehlt. Andererseits könnte es dazu führen, dass offene Fragen beantwortet und Gerüchte aufgelöst werden. Daher stehen wir als IG Metall einer größeren Transparenz in diesen Fragen positiv gegenüber.

Die Fragen stellte Stefan Scheytt / Foto: IG Metall

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