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Alexandra Krieger, Aufsichtsrätin bei der Commerzbank, bei AbbVie und Evonik Operations. Magazin Mitbestimmung

Aufsichtsratsporträt: Wir bestimmen mit

Ausgabe 01/2022

Alexandra Krieger, Aufsichtsrätin bei der Commerzbank, bei AbbVie und Evonik Operations. Von Andreas Molitor

Alexandra Krieger ist ein wenig ratlos: „Nein, das ist so lange her. Ich weiß wirklich nicht mehr, was ich damals geantwortet habe.“ Im Mai 2009, als der DGB sie zum „Aufsichtsrat des Monats“ kürte, wurde sie gefragt: „Wenn ein Unternehmen ein Auto wäre, welcher Teil wäre dann der Aufsichtsrat?“ Und wie sie die Frage heute beantworten würde? Krieger, damals wie heute Arbeitnehmervertreterin im Aufsichtsrat der Commerzbank, überlegt kurz. „Der Rückspiegel“, sagt sie – die gleiche Antwort wie damals. Sie ist dann doch überrascht, „dass sich das nicht geändert hat. Und da kommt auch eine gewisse Ernüchterung zum Ausdruck.“ Denn die rückwärtsgewandte Kontrolle reicht Alexandra Krieger nicht aus. „Die Unternehmensmitbestimmung ist ein schlafender Riese, der sein Potenzial zu wenig ausspielt“, sagt sie. Die Transformation der Wirtschaft „gibt uns jetzt die einmalige Chance, den Wert unserer Arbeit im Aufsichtsrat neu unter Beweis zu stellen und damit unser Mandat für die Beschäftigten zu legitimieren“.

Seit 2008 vertritt Alexandra Krieger, Leiterin Controlling im Vorstandsbereich 1 der IG BCE, die Arbeitnehmerinteressen im Aufsichtsrat der Commerzbank. „Dass ich das so lange machen würde, hätte ich mir damals nicht vorstellen können“, sagt die 51-jährige gelernte Bankkauffrau, Journalistin und Betriebswirtin, die in den 2000er Jahren einige Jahre ein Referat in der Abteilung Mitbestimmungsförderung der Hans-Böckler-Stiftung leitete. Im Commerzbank-Aufsichtsrat hat sie dramatische Sitzungen erlebt, zunächst die Übernahme der Dresdner Bank, dann die Finanzkrise, die das Geldinstitut an den Rand des Abgrunds brachte, die Rettung durch den Staat – und über all die Jahre einen massiven Personalabbau. Mit ihren Kolleginnen und Kollegen von der Arbeitnehmerbank konnte sie betriebsbedingte Kündigungen verhindern. „Aber ist das wirklich ein Erfolg, wenn man sagen kann: Wir haben für sozialverträglichen Abbau gesorgt?“, denkt sie laut nach. Ganz abgesehen davon, „dass ‚sozialverträglich‘ sowieso ein unmögliches Wort ist“.

Im Aufsichtsrat der Commerzbank hat Alexandra Krieger sich im Laufe der Jahre „zunehmend unabhängig gemacht vom Bänkedenken“. Angesichts der enormen Herausforderungen durch die Megatrends Demografie, Digitalisierung und Klimawandel seien „bänkeübergreifende Diskussionen und Logiken“ gefragt. Die es jetzt zumindest in Ansätzen gebe. „Geschäftsmodelle können sich jederzeit erledigen“, sagt sie. „Da muss man im Aufsichtsrat die richtigen Fragen stellen, bevor der Ernstfall eintritt, unabhängig von der Fraktionsdisziplin.“ Es ist also noch viel zu tun – bei der Commerzbank genauso wie bei ihren beiden anderen Mandaten in den Kontrollgremien von Evonik Operations und der Deutschland-Tochter des US-Pharmakonzerns AbbVie. „Da mussten wir die Amerikaner erst mal an die deutsche Mitbestimmungskultur gewöhnen.“ Anfangs habe sie diesem Vorhaben nicht allzu viele Chancen gegeben, sagt sie, „aber mittlerweile haben die verstanden, dass es am besten für das Unternehmen ist, wenn sie mit uns auf Augenhöhe reden“.

Die IG BCE-Gewerkschafterin nimmt sich die Freiheit, offen über ihre Arbeit im Aufsichtsrat zu sprechen und sie dadurch von mancherlei „Mythen und Legenden“ zu befreien. Das irritiert den einen oder anderen, auch im eigenen Lager. Mit gelegentlichen Sticheleien oder auch eisigem Schweigen kommt Alexandra Krieger ganz gut zurecht. „Da bin ich vielleicht ein bisschen wie Angela Merkel“, sagt sie. „Manches lasse ich abperlen wie Wasser am Duschvorhang.“

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