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Magazin Mitbestimmung

Interview: „Whistleblower benötigen verlässliche Ansprechpartner“

Ausgabe 05/2013

Guido Strack, Sprecher des Whistleblower-Netzwerks, über die Beziehung von Hinweisgebern und Arbeitnehmervertretern. Die Fragen stellte Carmen Molitor

Herr Strack, wie wichtig sind Verbündete in Betriebsräten und Gewerkschaften für Whistleblower?
Sehr wichtig. Grundsätzlich gibt es für Whistle­blower zwei Möglichkeiten: Entweder man überzeugt den Zuständigen, etwas an einem Missstand zu ändern. Oder man drängt ihn von außen dazu. Dieser Druck von außen kann sich über eine Rechtsordnung implementieren, hilfreich kann aber auch politischer Druck, Marktdruck oder Druck durch Solidarität sein. Da spielt auch eine Rolle, inwieweit sich der Betriebsrat oder die Gewerkschaft positioniert und die eigene Macht nutzt, um dafür zu sorgen, dass einem Sachverhalt nachgegangen wird.

Sind Arbeitnehmervertreter insgesamt sensibilisiert genug für die Nöte von Hinweisgebern?
Die Lage ist sehr uneinheitlich. Das geht von ganz positiv bis ganz negativ. Wichtig wäre, in das Thema einzusteigen und nicht zu sagen: Das ist Compliance, das macht der Arbeitgeber. Man sollte erkennen, dass immer die Interessen der Belegschaft berührt sind und man sich als Gewerkschaft oder Betriebsrat deshalb reinhängen sollte. Es wäre für Whistle­blower wichtig, in der Region oder am besten im Betrieb selbst Ansprechpartner unter den Arbeitnehmervertretern zu haben, die verlässlich sind und sich dazu bekennen, erst einmal auf seiner Seite zu stehen, und ihn nicht von vornherein als Querulanten sehen. Leute, die ihn ernst nehmen und ihm Schutz im Sinne von Anonymität gewähren.

Wie bewerten Sie, dass bei den Compliance-Systemen der großen Unternehmen oft externe Ombudsleute als Ansprechpartner für Hinweisgeber vorgesehen sind?
Das ist aus meiner Sicht ein Marketinggag. Man will sagen: „Der Sache wird wirklich nachgegangen, nichts wird intern gedeckelt, deshalb haben wir einen Externen.“ Aber der Anwalt, der das ja im Regelfall macht, ist doch für das Unternehmen tätig. Er gibt zwar aufgrund seiner Schweigepflicht den Namen des Hinweisgebers nicht preis, berichtet aber an die Unternehmensleitung. Die entscheidet, ob sie etwas macht und was. Der Anwalt hat im Regelfall nicht die Möglichkeit, zu sagen, ob er damit einverstanden ist oder sich lieber an eine andere Stelle wenden will – etwa den Aufsichtsrat oder die Hauptversammlung, eine staatliche Aufsichtsstelle oder die Staatsanwaltschaft. Insoweit ist es gar kein externer Mechanismus.

Wie kann Ein Betriebsrat dabei helfen, das angezeigte Problem zu lösen?
Der Betriebsrat ist in einer ähnlichen Situation wie der Whistleblower, der ihn informiert: Er kann den Missstand ebenfalls nicht selber abstellen, sondern braucht dabei Hilfe, muss also auch überlegen, wie man den Verantwortlichen überzeugt oder jemanden findet, der ihn überzeugen kann. Oder der Betriebsrat setzt andere Machtmittel in Bewegung, die dazu führen, dass sich etwas tut. Der Unterschied liegt darin, dass der Betriebsrat den gesetzlichen Kündigungsschutz genießt und insofern eine deutlich bessere Stellung hat, zumal er meist in gewerkschaftlichen Strukturen verankert ist, also nicht alleine dasteht. Psychologische Unterstützung ist enorm wichtig, und wenn alle Betriebsratsmitglieder etwas anprangen, ist das natürlich was anderes, als wenn es nur ein einzelner kleiner Mitarbeiter tut.

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