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Kristin Mingram, Arbeitnehmervertreterin bei DHL Hub Leipzig Magazin Mitbestimmung

Aufsichtsratsporträt: Von Anfang an dabei

Ausgabe 01/2024

Kristin Mingram, Arbeitnehmervertreterin bei DHL Hub Leipzig. Von Andreas Molitor

Manchmal, wenn im Aufsichtsrat ihres Arbeitgebers mal wieder der Personalmangel das beherrschende Thema ist und  alle händeringend nach Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern suchen, denkt Kristin Mingram gut 20 Jahre zurück, an ihren eigenen Einstieg ins Berufsleben. „Ich hatte einen guten Realschulabschluss“, erzählt die 1984 bei Magdeburg geborene Arbeitnehmervertreterin des DHL Hub am Flughafen Leipzig, „aber ich musste Hunderte von Bewerbungen schreiben, bevor ich einen Ausbildungsplatz fand.“ Schließlich klappte es bei der Deutschen Post mit einer Lehrstelle als Fachkraft für Brief- und Frachtverkehr, so hieß das damals. Es war die schwere Zeit Anfang der 2000er Jahre, mit fünf Millionen Arbeitslosen. „Das können die jungen Leute sich heute kaum noch vorstellen.“

War dabei, wie alles wuchs

Der Ausbildungsplatz bedeutete allerdings noch nicht das Ende der Sorgen. Kristin Mingram sattelte noch ein drittes Jahr drauf, „fürs Kaufmännische“, aber an eine Übernahme nach der Ausbildung war nicht zu denken. Ein Glücksfall für sie, dass im August 2005 der DHL Hub seinen Betrieb aufnahm und Arbeitskräfte suchte. Kristin Mingram wechselte von der Post zu dem Logistiker und war eine der ersten 25 Beschäftigten. Heute sind es 7000. Man war „dabei, wie das alles wuchs, man konnte auch eigene Ideen einbringen und hatte ein großes Aufgabenfeld“. Heute sind die Tätigkeiten viel stärker spezialisiert: „Eine Kollegin im Büro weiß im Zweifel gar nicht, was die Leute draußen auf der Rampe genau machen.“

Gewerkschafterin wurde Kristin Mingram schon bei der Unterschrift des Ausbildungsvertrags. Schon während ihrer Ausbildung war sie aktiv in der Jugend- und Auszubildendenvertretung. Dauerthema war die Übernahme nach der Lehre. Eine Demo in Magdeburg blieb damals ohne Erfolg. Heute sähe das sicher anders aus. Am DHL Hub wurde Mingram gleich in den Betriebsrat gewählt. Arbeitszeitthemen waren ständige Begleiter, vor allem bessere Schichtpläne und längere Wochenarbeitszeiten, damit die Beschäftigten von ihrem Lohn eine Familie ernähren konnten. Die Übernahme des Betriebsratsvorsitzes war ursprünglich erst für 2026 geplant. Aber dann wollte der bisherige Vorsitzende 2022 nicht mehr antreten und bat seine Stellvertreterin: „Ich würde mir wünschen, dass du das jetzt schon übernimmst.“

Im Aufsichtsrat, dem Kristin Mingram seit 2017 angehört, stehen Themen ganz anderer Größenordnung zur Diskussion, große Investitionen vor allem. Das DHL-Drehkreuz soll ja auf Wachstumskurs bleiben. Auch Personalnot und Fluktuation stehen bei jeder Sitzung auf der Agenda.

Die Belegschaft ist ein Spiegel der Gesellschaft, mit einem entsprechend breiten Spektrum politischer Einstellungen. Da sei es gut zu wissen, dass der Arbeitgeber beispielsweise rassistische und diskriminierende Äußerungen nicht duldet und energisch handelt – auf Grundlage eines konzernweiten Verhaltenskodex.

„Meine Einstellung zum Thema AfD kennt hier jeder“, sagt sie. Im Betriebsrat gibt es darüber wenig Diskussion, man bleibt bei den betrieblichen Themen. Kristin Mingram findet es „schade, dass viele Menschen die Auseinandersetzung scheuen und lieber schweigen“. Darum sei es „so ermutigend, dass in den vergangenen Wochen auch in unserer Region so viele Leute gegen rechts auf die Straße gegangen sind und Position bezogen haben“ – auch die, die sonst schweigen. „Es ist an der Zeit.“

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