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Technik-Van der Firma Telekom Magazin Mitbestimmung

Künstliche Intelligenz: Am Ende entscheidet der Mensch

Ausgabe 04/2023

Auf die tiefgreifende Veränderung der Arbeitswelt bereitet sich der Konzernbetriebsrat der Telekom mit einem KI-Manifest vor, das Regeln festlegt und Leitlinien zieht. Von Maren Knödl

Wer Medienberichte über künstliche Intelligenz (KI) verfolgt, könnte die Zukunft in sehr dunklen Farben sehen. In der dystopischen Zukunftsvariante bewerten Maschinen und Programme die Qualität unserer Arbeit, treffen für uns  Entscheidungen oder erledigen die Arbeit gleich selbst und machen Menschen ganz überflüssig. Spätestens nach den Warnungen von Ex-Google-Entwickler und „Godfather“ der KI, Geoffrey Hinton, scheint die Gefahr für einige real. Immer  mehr Arbeitgeber entscheiden sich deswegen für klare Regeln und Vereinbarungen zum Einsatz von KI.

Zum Beispiel die Telekom: Der Konzernbetriebsrat (KBR) hat zusammen mit der Arbeitgeberseite ein sogenanntes KI-Manifest ausgearbeitet, das die Einführung und Nutzung von selbstlernenden IT-Systemen regeln soll. Constantin Greve, Vorsitzender des Gesamtbetriebsrats der Telekom, begründet den Schritt so: „Die Dimensionen, die man bei KI beachten muss, sind einfach andere. Da reichen die bisherigen Mechanismen der IT-Mitbestimmung nicht mehr aus.“

KI eröffne weit größere Möglichkeiten, Einfluss auf Beschäftigte zu nehmen, nicht nur bei der von Arbeitnehmervertretungen oft gefürchteten Leistungsmessung. Die größeren Einflussmöglichkeiten sieht Greve etwa, wenn KI-Systeme  Arbeitsprozesse steuern oder Entscheidungen vorbereiten. „Wir wissen bislang noch nicht, wie wir die verschiedenen Risikostufen definieren sollen“, sagt Greve und spricht dabei ein verbreitetes Problem mit einer sich schnell entwickelnden Technologie wie KI an. „Deswegen haben wir uns auch zunächst für ein Manifest und nicht für eine Konzernbetriebsvereinbarung entschieden. Wir wollen Mitbestimmungsrechte nicht schon in der Experimentierphase verbrauchen.“ In dem Manifest können Passagen immer wieder angepasst werden, wenn die Technik voranschreitet.

Seit November gelten die Leitlinien für alle Beschäftigten der Telekom. Die wichtigste Regel des Manifests: Es gilt das Primat menschlicher Entscheidungen, Beschäftigte können bei KI-Schlussfolgerungen  eingreifen. Oder einfacher gesagt: Am Ende entscheidet in wesentlichen Fragen der Mensch. Für die Analyse von Charaktereigenschaften, Emotionen oder der psychischen Verfassung von Beschäftigten dürfen KI-Systeme nicht eingesetzt werden. Und: Ein Expertenkreis soll fortlaufend Modelltests begleiten und Empfehlungen für Checklisten und Standards entwickeln.

All dies soll das Vertrauen der Beschäftigten in die Technologie fördern. Eine gute Kommunikation zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite ist dabei für Lothar Schröder, Aufsichtsratsmitglied der Telekom und ehemaliges Verdi-Vorstandsmitglied, unabdingbar. „Bisher haben Beschäftigte das Thema KI oft mit Staunen und Argwohn bei uns adressiert“, sagt er. Das würde auch durch Terminator-ähnliche Kinodarstellungen befördert. „Eine solche Sichtweise können wir uns nicht erlauben“, sagt Schröder. „Man muss stattdessen die Chancen und Möglichkeiten der KI verstehen.“ Gar nicht so einfach bei einem System, das sich ständig weiterentwickelt. Um KI zu bewerten, sei daher der ständige Austausch mit den Beschäftigten und Quasi-Kollegen der KI besonders wichtig.

Aktuell sind Systeme oft schon wieder veraltet, wenn Vereinbarungen zu deren Reglementierung vorgelegt werden.“

FLORIAN HAGGENMILLER, Verdi-Bundesfachgruppenleiter für Informations- und Kommunikationstechnik

Florian Haggenmiller ist seit drei Jahren Bundesfachgruppenleiter für Informations- und Kommunikationstechnik bei Verdi und vertritt unter anderem die Beschäftigten der Telekom. Der Gewerkschafter weiß: Vertrauensbildung ist in der Branche  essenziell. Ihre Beschäftigten seien durch den vielfach erlebten Stellenabbau oft sensibler. „Was die Mitbestimmung angeht, ist die Telekom zusammen mit IBM ein echter Leuchtturm“, sagt Haggenmiller. Bei den meisten anderen Unternehmen sei  der Einsatz von KI-Systemen häufig  nicht in dieser Intensität mitbestimmt. Die Telekom hat die bestehenden Regeln nun durch ihr KI-Manifest ausgebaut.

Was für eine Herausforderung der schnelle technologische Fortschritt für die Mitbestimmung ist, zeigt die Zeit, die KBR und Konzern bei der Telekom für die Erstellung des Manifests benötigt haben. Zwei Jahre hat es gedauert, die Leitlinien und Regeln zu erarbeiten. „Die Anforderungen an Betriebsräte steigen“, sagt Haggenmiller. Die Beschäftigtenvertretungen bräuchten in Zukunft nicht nur mehr technisches Verständnis, sondern müssten auch agiler werden. „Aktuell sind Systeme oft schon wieder veraltet, wenn Vereinbarungen zu deren Reglementierung vorgelegt werden.“ Der Ansatz der Telekom, ein Manifest mit ersten Prinzipien zu verfassen und dieses dann immer weiter zu entwickeln, könnte ein guter Ansatz sein. 

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