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Magazin Mitbestimmung

: MetallRente – ein starkes Stück Tarifpartnerschaft

Ausgabe 11/2011

ALTERSVORSORGE Zum zehnten Jubiläum des Sozialpartnerversorgungswerks MetallRente präsentiert Geschäftsführer Heribert Karch eine beachtliche Bilanz. Doch Sorgen bereitet ihm, dass ausgerechnet die jungen Beschäftigten mit der privaten Vorsorge zögern. Von Andreas Molitor

ANDREAS MOLITOR ist Journalist in Berlin

Es gibt Situationen, in denen ist Heribert Karch kurz davor, seine gepflegten Umgangsformen für einen Moment zu vergessen. Wenn ihm jemand entgegenschleudert, dass er sich überhaupt keine Gedanken um seinen Lebensstandard im Alter macht, zum Beispiel. Jemand, der nichts für die alten Tage beiseitelegt, weil er Banken und Versicherungen für Zockerbanden hält, und der lieber das Hier und Jetzt genießt, koste es, was es wolle. Solche Zeitgenossen würde Heribert Karch am liebsten bei den Schultern packen, ordentlich durchrütteln und ihnen ins Gesicht sagen: „Das ist deine Wette gegen den Tod, bei der du erwartest, dass du früh stirbst. Aber die Wahrscheinlichkeit, dass du diese Wette verlierst und länger lebst, als du glaubst, ist sehr groß.“ Ein fester Blick in die Augen des Gegenübers: „Und was glaubst du – wie lebenswert wird dein Leben dann noch sein? Was denkst du, wie es ist, im Alter in die Armut abzurutschen?“

Heribert Karch ist Geschäftsführer der MetallRente, eines Versorgungswerks, das die Betriebsrenten-Anwartschaften von gegenwärtig fast 400 000 Menschen sammelt, die nicht so naiv sind, gegen den Tod zu wetten. Monat für Monat zweigen sie einen Teil ihres Einkommens ab und sparen das Geld an, damit ihr Lebensstandard im Alter nicht auf Sozialhilfeniveau sinkt. Die im Jahr 2001 von der IG Metall und dem Arbeitgeberverband Gesamtmetall geschmiedete Einrichtung ist heute das größte Vorsorgewerk der Industrie in Deutschland. Ursprünglich konzipiert für die Unternehmen der Metall- und Elektroindustrie, haben sich inzwischen auch die Stahlindustrie und die Branchen Textil sowie Holz und Kunststoff angeschlossen. Seit dem Start vor zehn Jahren hat das Versorgungswerk nahezu 20 000 Unternehmen für seine Idee gewonnen. Allein von Januar bis August dieses Jahres konnten die MetallRentner mehr als 27 000 neue Einzelverträge zur betrieblichen Altersversorgung abschließen.

GÜTESIEGEL DER TARIFPARTEIEN_ Das Prinzip klingt denkbar einfach: Jeder Arbeitnehmer der angeschlossenen Unternehmen kann von seinem Bruttoentgelt bis zu 2640 Euro jährlich in die eigene Altersabsicherung investieren, in eine Direktversicherung, eine Pensionskasse oder einen Pensionsfonds, ohne dass für diesen Betrag Steuern und Sozialabgaben anfallen. Wer will, kann weitere 1800 Euro drauflegen, für die zwar Sozialabgaben, aber keine Steuern entrichtet werden müssen. Ein Arbeitnehmer mit einem monatlichen Brutto-Einkommen von 2500 Euro, der 100 Euro pro Monat in die MetallRente einspeist, zahlt lediglich 55 Euro aus der eigenen Tasche. Die restlichen 45 Euro sind eingesparte Steuern und Sozialabgaben. Schließlich legt auch der Arbeitgeber „seinen“ Sozialabgaben-Anteil in die MetallRenten-Kasse.

Über die Kapitalanlage wiederum entscheidet die Metall­Rente nicht in eigener Regie. Sie vergibt Aufträge an ein Konsortium von sechs großen Versicherern (Allianz, Generali, Ergo, Swiss Life, R+V Versicherungen und PB Versicherungen) unter Federführung der Allianz.
„Dann kann ich ja auch gleich einen Vorsorge-Vertrag bei einem Allianz-Vertreter abschließen“, mag sich mancher denken. Welche Vorzüge bietet also die MetallRente? „Durch unsere Einkaufsmacht gelingt es uns, bei der Finanzwirtschaft die besten Konditionen herauszuholen“, erklärt Heribert Karch. „Die Beiträge versickern nicht in hohen Verkaufsprovisionen, die erheblich auf die Rendite drücken.“ Im Schnitt kostet ein MetallRenten-Vertrag weniger als halb so viel wie ein privat abgeschlossener Einzelvertrag – bei dem überdies kein Arbeitgeber die Zahlung der angesparten Rente garantiert. „Der soziale Deal macht den Unterschied“, wirbt Karch. „Unser Angebot ist mit dem Gütesiegel beider Tarifparteien versehen und so standardisiert und überschaubar, dass es für Arbeitgeber jeder Größe handhabbar ist – gerade auch für jene, die sich eine teure Verwaltung für eine eigene Betriebsrente niemals leisten könnten.“

BEACHTLICHE PERFORMANCE_ Bei der Performance mussten MetallRentner bislang keine Abstriche machen. Ihr Geld ist mindestens so gut angelegt wie das in privaten Verträgen geparkte. So liegt beispielsweise die Gesamtverzinsung bei der MetallRente-Direktversicherung aktuell zwischen 4,65 und 4,75 Prozent, die 15 größten deutschen Lebensversicherungen bringen es im Schnitt auf 4,6 Prozent.

Vor allem aber braucht niemand Angst zu haben, dass geldgierige Spekulanten seine Betriebsrente verzocken. „Die betriebliche Altersversorgung in Deutschland ist ein Hochsicherheitstrakt“, sagt Heribert Karch. Schon in der inneren Architektur der Kapitalanlage ist ein hohes Sicherheitsniveau eingebaut. Bei den konservativen Produkten, also Direktversicherung und Pensionskasse, sorgt schon die Aufteilung auf mehrere Finanzdienstleister für eine Risikostreuung. „Wenn mal einer in der Nettoverzinsung nicht so gut liegt, gleichen die anderen das aus“, erklärt MetallRente-Chef Karch. „Und wenn ein Versicherer unter einem bestimmten Schwellenwert liegt, hat er uns gegenüber eine Nachbesserungspflicht.“

Selbst der MetallRente-Pensionsfonds, der mit einem Aktienanteil von bis zu 80 Prozent operiert, wirkt im Vergleich zu seinen britischen und amerikanischen Verwandten geradezu wie ein Sicherheits-Bollwerk. „Wenn ich morgens ins Büro komme, schaue ich nicht als Erstes hypnotisiert auf die jüngsten Kurskapriolen“, sagt Heribert Karch ganz entspannt. Der Aktienanteil wird mit zunehmendem Alter der Anleger reduziert – damit kurz vor dem Eintritt ins Rentenalter keine unangenehmen Überraschungen mehr passieren. Außerdem greifen bei Gefahrsignalen vom Kapitalmarkt automatisch, also ohne dass Fondsmanager oder die MetallRente-Chefs darüber entscheiden, schnelle Sicherungsmechanismen. Sie sorgen dafür, dass im Portfolio Aktien in sichere Anlagen umgeschichtet werden – in der zurückliegenden Finanzkrise beispielsweise von 80 auf elf Prozent. Auf diese Weise konnte der Fonds, für den sich knapp zehn Prozent der MetallRentner entschieden haben, die Krise relativ unbeschadet verdauen – jedenfalls besser als der Großteil der Konkurrenzprodukte. Und während sich in diesem Jahr die Kursverluste bei europäischen Aktien bis Ende September bereits auf über 14 Prozent summierten, konnte sich der MetallRente-Pensionsfonds mit einem Minus von lediglich 1,2 Prozent vergleichsweise gut behaupten.

MetallRente selbst greift grundsätzlich nicht in die Kapitalanlage ein. „‚Jetzt schnell Deutsche Bank abstoßen und dafür Novartis kaufen!‘ –, solche Anrufe bei den Fondsmanagern gibt es nicht“, versichert Karch. Der mit Vertretern von IG Metall und Gesamtmetall besetzte und von Heribert Karch geleitete Kapitalanlageausschuss trifft lediglich strategische Investentscheidungen: Welche Aktienquote darf nicht überschritten werden, in welchem Anteil müssen konservative Sicherungsprodukte im Portfolio enthalten sein, welche Benchmark dient als Leitbild für die Nachhaltigkeit der Investments. Derzeit investiert der MetallRente-Pensionsfonds nach Maßgabe des Dow Jones Euro Stoxx Sustainability Index, der aus jeder Branche die Unternehmen mit der besten ökonomischen, ökologischen und sozialen Nachhaltigkeitsperformance in der Euro-Zone herausfiltert. Unternehmen, die ihr Geld mit Rüstung, Atomkraft, Pornografie oder Tabak verdienen, sind von vornherein ausgeschlossen.

KIND DER RENTENREFORM_ Ähnlich wie die Riester-Rente ist auch die Metall­Rente ein Kind der Rentenreform. Heribert Karch war damals, zu Beginn der ersten rot-grünen Regierung unter Gerhard Schröder, Leiter der Tarifabteilung der IG Metall. Allmählich wurde klar, dass die Leistungsabsenkung in der gesetzlichen Rentenversicherung nicht zu verhindern war, aber in der zweiten Säule, erinnert sich Karch, „wollten wir verhindern, dass unsere Kollegen allein den Angeboten der privaten Finanzwirtschaft ausgesetzt sind“. Arbeitsminister Walter Riester, zuvor Zweiter Vorsitzender der IG Metall, preschte mit der Idee einer obligatorischen Betriebsrente vor. „Zwangsrente!“, ätzte die „Bild-Zeitung“, aber auch die IG Metall war dagegen. Riester musste die Idee zu den Akten legen.

Wenn nicht obligatorisch, dann eben freiwillig: Heribert Karch war längst zu der Überzeugung gelangt, dass der Schlüssel zur Bekämpfung der Altersarmut in einer starken betrieblichen Altersversorgung liegt. Und bei Gesamtmetall fand der Gewerkschaftsstratege Gesprächspartner, die ähnlich dachten. Der Gedanke eines gemeinsamen Versorgungswerks wurde geboren. Die Arbeitgeber hofften, dass ein Betriebsrenten-Versprechen ihre Chancen erhöht, gute Mitarbeiter zu gewinnen und langfristig an sich zu binden. Dissens gab es nur in einem wichtigen Punkt: Die IG Metall hätte gern eine Anschubfinanzierung der Arbeitgeber gesehen, konnte sich damit allerdings nicht durchsetzen. Am 4. September 2001, spät in der Nacht, unterzeichneten die Verhandlungsführer den „Tarifvertrag zur Entgeltumwandlung in der Metall- und Elektroindustrie“. Der Grundstein für die MetallRente war gelegt.

ZUKUNFTSVERGESSENE JUGEND?_ Zehn Jahre später: Die noch junge Geschichte der MetallRente ist schon jetzt eine Erfolgsstory, trotzdem gibt es Dinge, mit denen Heribert Karch hadert. Beim Verhältnis zwischen der zweiten, der betrieblichen, und der dritten, der rein privaten Säule der Altersversorgung habe „Deutschland in Europa einen falschen Sonderweg beschritten“, kritisiert er die den privaten Riester-Verträgen zugedachte Funktion, den Lebensstandard im Alter zu sichern. Der soziale Deal, die Garantie des Arbeitgebers für das Rentenversprechen – all das biete Riester nicht. „Die privaten Riester-Verträge sind im Vergleich zu einer Betriebsrente wegen der hohen Provisionen zu teuer und außerdem zu fehleranfällig“, urteilt Karch. „Die meisten werden aufgrund niedriger Beiträge nur sehr kleine Zusatzrenten erbringen, mit denen sich die Rentenlücke nicht schließen lässt.“

Was den MetallRente-Chef allerdings am meisten umtreibt, ist das heute schon absehbare Zusteuern großer Teile der jungen Generation auf die Altersarmut. Das jedenfalls ist das Resultat einer von MetallRente in Auftrag gegebenen Untersuchung unter Leitung des Jugendforschers Klaus Hurrelmann. „Die vor zehn Jahren eingeleitete große Reform der Alterssicherung durch mehr Eigenbeteiligung ist nicht bei den jungen Leuten angekommen“, fasst Hurrelmann die im vergangenen Jahr vorgelegten Ergebnisse der Studie zusammen. „Die Jugend nimmt die Herausforderung der privaten Vorsorge mental an, jedoch merkt ein großer Teil von ihr: Wir werden das nicht packen.“ Dies offenbart sich auch bei der MetallRente. Ausgerechnet die Gruppe der Beschäftigten unter 25 Jahren – die von der Rentenreform mit voller Wucht getroffen werden und ohne zusätzliche Absicherung in die Grundsicherung abzurutschen drohen – sind bei den Abschlüssen deutlich unterrepräsentiert. Für Heribert Karch ist dies ein deutliches Zeichen, dass Systeme und Produkte der Zukunftssicherung, die auf den Menschen als rational kalkulierendes und stets allseits informiertes Wirtschaftssubjekt setzen, die meisten Bürger völlig überfordern. Eine Mischung aus Selbstüberschätzung und Verlustscheu präge die meisten. „Die Menschen haben zu Recht Angst davor, dass sie bezüglich ihrer Lebensplanung sich selbst überlassen werden.“ Ohne einen Kontext kollektiver Schutzmaßnahmen wie beispielsweise die Metall­Rente seien viele ihrer Selbstüberschätzung ausgeliefert. „Und dann passiert es wieder: Der Herdentrieb geht los. Alle steigen zu spät ein, wenn die Kurse steigen, alle steigen zu spät aus, wenn die Kurse fallen. Und am Ende werden die kleinen privaten Anleger von den Profis an den Kapitalmärkten um ihr Geld gebracht“, sagt Karch.

Mehr Informationen

Klaus Hurrelmann/Heribert Karch (Hrsg.): JUGEND, FINANZEN, VORSORGE. Herausforderung oder Überforderung? Campus Verlag 2010. 378 Seiten, 14,90 Euro

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