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Magazin Mitbestimmung

Von HANS-JüRGEN ARLT: Ihr Leben erzählt 150 Jahre Gewerkschaftsgeschichte

Ausgabe 11/2016

Rezension Das Buch „Vordenker und Strategen“ beschreibt über 150 Jahre Gewerkschaftsgeschichte im Druckereigewerbe entlang der Biografien von 22 Redakteuren der Mitgliederzeitungen im grafischen Gewerbe.

Von HANS-JüRGEN ARLT

Griffige Kapitelüberschriften strukturieren die 150 Jahre Gewerkschaftsgeschichte und die ihrer Mitgliederzeitungen, zugleich charakterisieren sie die Persönlichkeiten in den Redaktionsstuben, denen die Kapitel gewidmet sind. „Der Senkrechtstarter“ meint Egon Lutz (1934 – 2011), „der radikale Doktor“ Detlev Hensche (geb. 1938), „der geduldige Aufklärer“ ist das Kapitel über  Hermann Zoller (geb.1939) überschrieben. Diese drei sind in ihrer Funktion als verantwortliche Redakteure einer Gewerkschaftszeitung zusammen mit 19 anderen, Männer allesamt, das Thema der Festschrift „Vordenker und Strategen“, die mit Unterstützung der Hans-Böckler-Stiftung erschienen ist – vorgelegt zum 150. Geburtstag des Buchdruckerverbandes, der ältesten Vorläuferorganisation von ver.di, der in diesem Jahr gefeiert wurde..

Schon der Titel signalisiert Wandel. Wollten sich heutige Chefredakteurinnen oder -redakteure von Gewerkschaftsmedien als Vordenker und Strategen profilieren, würde ihnen der Vorstand ein falsches Rollenverständnis bescheinigen. Umstritten freilich war redaktionelles Vordenken auch früher, manchmal sogar schon das Nachdenken. Legt das Buch davon Zeugnis ab?

Wer außer den betroffenen Jubilaren schaut schon in Festschriften? Man erwartet PR, ausgeklammerte Konflikte, verniedlichte Probleme und schön geschminkte Führungspersonen. Doch erfreulicherweise ist etwas ganz anderes entstanden – im Zusammenspiel von Rüdiger Zimmermann, 1996 bis 2011 Leiter der Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung in Bonn, und dem intellektuellen Malocher Henrik Müller – der selbst 16 Jahre, bis 2012, Redakteur der „Druck + Papier“ war: Ein akribisch durchgearbeitetes Lesebuch.

Über 150 Jahre Gewerkschaftsgeschichte im Druckereigewerbe hinweg werden die ineinander verwobenen Spannungsfelder der Personal-, Medien-, Gewerkschafts-, Partei- und Gesellschaftspolitik sorgfältig aufgedröselt. Ihre Zusammenhänge werden im Blick behalten und an der jeweiligen Redakteurspersönlichkeit aufgezeigt.

Zugleich hat man ein Nachschlagewerk in der Hand. Die 20 Seiten „Wegmarken der Drucker-Publizistik“, das üppige, gut gegliederte Quellen- und Literaturverzeichnis und das achtseitige Personenregister sind eine Fundgrube. Wer darin stöbert, kommt auch dem Staunen nicht heraus, wie anders vieles einmal war.

Foto: Karsten Schöne

Rüdiger Zimmermann: Vordenker und Strategen. Die Gewerkschaftspresse im grafischen Gewerbe und ihre Redakteure seit 1863. Herausgegeben von Frank Bsirske, Henrik Müller und Frank Werneke. Berlin, Metropol Verlag 2016. 480 Seiten, 29,90 Euro

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