Das politische Lied: Ein Held für jede Weltanschauung
1524 und 1525 erheben sich vor allem in Süddeutschland die Bauern für mehr Freiheit und Rechte. Einer der bekanntesten Anführer des Aufstands war Florian Geyer. Von ihm handelt das Lied „Wir sind Geyers schwarzer Haufen“. Von Martin Kaluza
Wir sind des Geyers schwarzer Haufen (1919)
Wir sind des Geyers schwarzer Haufen, heio-heio
Und wollen mit Tyrannen raufen, heio-heio
Spieß voran, drauf und dran
Setz auf’s Klosterdach den roten Hahn!
Am Ostermontag 1525 lassen aufständische Bauern den Grafen Ludwig von Helfenstein und seine Begleiter vor den Toren der Stadt Weinsberg durch die Spieße laufen. Die „Weinsberger Bluttat“, ein Höhepunkt des Bauernkriegs, zieht die Rache des Adels nach sich.
Seit Bauernvertreter in Memmingen in zwölf Artikeln Religionsfreiheit, das Jagdrecht und die Abschaffung der Leibeigenschaft gefordert haben, erobern Bauernheere in Süddeutschland, der Schweiz und Tirol Klöster und Burgen – angestachelt auch durch Flugschriften, die der noch junge Buchdruck ermöglicht. Bis zur Französischen Revolution wird es keinen größeren Volksaufstand geben.
Der an der Weinsberger Bluttat beteiligte Anführer Florian Geyer entstammt einer reichen Familie aus dem unterfränkischen Giebelstadt. Der kriegserfahrene Adlige unterstützt dennoch die Bauern. Er hat die Mittel, eine eigene Streitmacht aufzustellen und auszubilden. Sie ist von Weitem an ihrer schwarzen Kleidung zu erkennen.
Von ihm berichtet das Lied „Wir sind des Geyers schwarzer Haufen“ in bis zu 13 ziemlich brutalen Strophen. Als es geschrieben wird, ist Geyer fast 400 Jahre tot – und längst mythisch überhöht. Es entsteht 1919 im Umfeld der Bündischen Jugend, der überwiegend völkisch-national eingestellten Jugendbewegung, die aus Pfadfindern und Wandervogelgruppen hervorgegangen war.
Der Text der ist aus mehreren Quellen zusammengetragen. Der größte Teil leitet sich aus dem Gedicht „Der arme Kunrad“ des dichtenden Offiziers Heinrich von Reder aus dem Jahr 1888 ab. Die Zeilen „Als Adam grub und Eva spann/Wo war denn da der Edelmann?“ stammen aus dem englischen Bauernaufstand von 1381 und tauchen auch in anderen Liedern auf. Die Passage „Wir wollen’s Gott im Himmel klagen, dass wir die Pfaffen nicht dürfen totschlagen“ wird Niklas Böhm zugeschrieben, einem Viehhirten, der 1476 die Menschen zur Wallfahrt aufrief, ihnen Ablass von ihren Sünden versprach und mutig die soziale Gleichheit der Menschen verkündete.
Im 19. Jahrhundert beginnen die Deutungskämpfe um den Bauernkrieg. Friedrich Engels erklärt ihn zum Klassenkampf, Geyer ist für ihn ein Vorläufer des proletarischen Revolutionärs. Im 20. Jahrhundert vereinnahmen die Nazis Geyer. Der Bauernstand ist nach völkischer Lehre eine der Urkräfte des deutschen Volkes, da lässt sich ein solcher Held gut einbauen. Die wohl bekannteste Fassung des Liedes und seine Melodie stammen vermutlich von Fritz Sotke. Der Lehrer und Autor veröffentlicht „Des Geyers schwarzer Haufen“ 1922 in einem seiner Liederbücher. Ein gutes Jahrzehnt später zählt er zu den führenden Köpfen der Hitlerjugend.
In der DDR sieht man in Geyer einen Kämpfer gegen den Feudalismus, benennt Straßen, landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaften (LPGs) und ein Grenzregiment nach ihm. „Wir sind des Geyers schwarzer Haufen“ steht in Liederbüchern der Nationalen Volksarmee.
Der kommunistische Sänger Ernst Busch singt es genauso wie später im Westen Heino, der Volkssänger der bundesrepublikanischen Konservativen Heute gibt es auch Versionen von Metal- und Mittelalter-Bands aller Couleur.