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Magazin Mitbestimmung

: Editorial

Ausgabe 04/2005

Begegnungen mit dem Shareholder-Kapitalismus

Liebe Leser/innen,
für die Kollegen der TUI AG war es ein atemloses Jahr. "Die TUI-Aktie wird reif geschossen", vermuteten die Analysten im Sommer 2004. Die Arbeitnehmervertreter erlebten Angriffe von Hedge-Fonds und wie ihr Unternehmen mit Abwehrstrategien kontern musste (Seite 10). Der Finanzkapitalismus ist auf dem Vormarsch, und die Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsräten sind mittendrin. Auch dann, wenn die großen Fonds mit den angriffslustigen Namen Cerberus oder Fortress vor der Tür stehen, um Unternehmen wie Peguform oder Dynamit Nobel aufzukaufen. Wir informieren über Rendite- und Unternehmensstrategien, die diese Finanzinvestoren verfolgen - und die Risiken für die Arbeitsplätze. Und wir fragen Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat, was sie in den Verkaufs-Deals heraushandeln konnten (Seite 30).

Interessant, wie positiv sich einige dieser US-Fonds-Chefs über die deutsche Mitbestimmung äußern. Nicht nur deshalb ist es verfehlt, hier Feindbilder zu bedienen. Kapitalmärkte sind nicht per se böse - auch wenn man dort den Typus des raffgierigen Spekulanten besonders häufig antrifft. Von der Stärkung der Hauptversammlungen und Aufsichtsorgane profitiert auch die deutsche Mitbestimmung, betonen in ihrem Beitrag Höpner/Cioffi. Und je häufiger Arbeitnehmer ihre Ersparnisse in Aktien anlegen, desto mehr muss sich arbeitnehmerorientierte Politik für den Schutz der Minderheitsaktionäre interessieren.

Deren Rechte nutzen die Belegschaftsaktionäre in der Siemens AG, wenn sie gegen die immer weitere Arbeitsplatzvernichtung auftreten. Ihre Bühne ist die Hauptversammlung, und die überlassen sie nicht den wortmächtigen Aktionärs-Lobbyisten von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz, die auf rund 850 Hauptversammlungen jedes Jahr präsent sind, um dem Shareholder-Value das Wort zu reden (Seite 20/24).

Gut, dass Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann eine Debatte losgetreten hat. Denn je mehr Unternehmen ihre Renditemargen hoch treiben und sich nicht im mindesten um die Gesellschaft von 5,2 Millionen Arbeitslosen scheren, desto lauter wird die soziale Verantwortung der Unternehmen eingefordert. Axel Hauser-Ditz hat im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung Betriebsräte der DAX-30-Unternehmen befragt, wie sie sich hier einklinken. Gute Unternehmen sind gefragt. Wollen wir's mal glauben.
Interessante Lektüre wünscht Euch und Ihnen

Cornelia Girndt
cornelia-girndt@boeckler.de

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